Ich habe ein Mandat einer sehr betagten Dame übernommen. Gut situiert. Die Steuererklärung ist pillepalle. Diverse Renten, auch aus dem Ausland. KAP und V+V. Im Gegensatz zu den Kollegen mit Mitarbeitern, muss ich als Einzelkämpfer auch Fibu, Löhne und Einkommensteuererklärungen erstellen. Ich habe schon einiges vom Vorberater übernommen, wo ich mir gewünscht hätte, dass mal ein Kollege oder ein qualifizierter Steuerfachwirt über die Erklärungen drüber gesehen hätte. Stichworte: Gewerbesteuer "vergessen", Umsatzsteuersachverhalte komplett falsch gebucht... (Weil nicht verstanden) Der Tiefdurchschlag, den ich diesmal übernommen habe, hat mich dann doch geschockt: Über Jahre wurde vom Berater (!) ein hoher Betrag für Hausverwaltung neben der Verwaltungspauschale erklärt. Es gab keinen Hausverwalter. Die alte Dame macht die BK-Abrechnungen selbst. Das sieht ein Blinder mit Krückstock in der Akte. Sie legt wohl auch immer einen Brief zu den Unterlagen (zumindest war es bei mir so und anhand der Vorjahresakte, die ich mir von der Mandantin erbeten habe, spricht viel dafür, dass es immer so gelaufen ist), indem sie schriebt, dass sie mit der Verwaltung so viel zu tun habe und dass die 1000 EUR für Ihre Arbeit angemessen wären. Als ich sie auf das Thema angesprochen habe, sagte Sie mir, das wäre ihr so gesagt worden. Sie kümmert sich um die Steuern und die Verwaltung seit dem Tod Ihres Mannes. Von ihrem beruflichen Background kann man von Ihr kein Verständnis für Steuern erwarten. Sie macht, was man ihr sagt. Sie versteht es nicht, was sie tut. Das wurde nicht systematisch linke Tasche -rechte Tasche erklärt, sondern die virtuellen 1.000 EUR wurden als Werbungskosten bei V+V abgezogen. Es gab noch weitere kleine Fehler, die die Verwaltung als Beihilfe zur Hinterziehung einordnen würde. Insgesamt noch ein paar Hundert EUR. Fehler machen wir alle. Dafür sind wir Menschen. Es gibt aber ein paar Basics, die sollten in diesem Berufsstand nicht über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, falsch gemacht werden. Ich weiß, dass es hochqualifizierte und engagierte Mitarbeiter in unserer Branche gibt. Aber so etwas, was ich in dieser Erklärung gesehen habe, sollte und dürfte es nicht geben. Wenn ein Mandant eine Erklärung zum Berater gibt, dann sollte er doch zumindest darauf vertrauen können, dass er auf Grund von schlechter Arbeit nicht wegen Hinterziehung belangt werden kann. Die Verbände und Kammern sollten ernsthaft über Mindestfortbildungspflichten und Mindeststandards bei den Mitarbeitern in den Kanzleien nachdenken. Ich weiß, dass wir seit ein paar Jahren Oberkante Unterlippe stehen und dass es fast unmöglich ist gute Mitarbeiter zu finden (ich wollte auch nicht als Einzelkämpfer ohne Mitarbeiter unterwegs sein). So etwas darf aber in einer Steuerkanzlei nicht nach draußen gehen. Die Technik macht es doch heutzutage möglich, dass man mit regelmäßigen Online-Tests das Fachwissen der Mitarbeiter überprüfen kann. Das ist auch für die Mitarbeiter wichtig und eine Motivation, wenn sie in den Tests gut abschneiden. Zeugnisse sammeln bis zur nächsten Gehaltsverhandlung. 😉 Solche Tests sollten verpflichtend sein. Ich selbst habe mich für das Lohnquizz registriert und mache den Test jeden Monat Just-for- Fun, damit ich keine wichtigen Themen im Lohn verpasse. Wenn man alles machen muß, dann kann neben den Coronahilfen und dem Dauerstress schon mal ein Randthema "durchrutschen". Ich selbst würde mir mehr Wissenstest-Möglichkeiten wünschen.
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