Alles gut, die Augen werden mit zunehmendem Alter immer besser 🙂 Hatte vorhin schon begonnen meine Antwort zu tippen, aber war dann unzufrieden mit dem was ich schreiben wollte und dachte, dass ich lieber drüber schlafen will. Im Kern ist meine Botschaft aber sehr simpel - ich mache jetzt die Quick & Dirty Variante (das ist alles keine Bewertung und auch kein „richtig oder falsch“, sondern nur meine Perspektive auf die Geschichte, warum wir bei DATEV über Repräsentativität sprechen und das vielleicht wieder reduzieren sollten…) 1. Früher gab es Funktionen in DATEV-Produkten, die hießen intern so, wie der eine Kanzlei-Inhaber für den das gebaut wurde. Manche haben das „goldene Wasserhähne“ genannt. Wir waren uns einig: Das kann so nicht richtig sein. 2. Wir wollten Standard-Software herstellen, die für die breite Masse unserer Mitglieder:innen gut funktioniert. Aber was will die breite Masse? 3. Viele bei DATEV hatten dazu eine Meinung. Es gibt auch viele Quellen dazu. Außendienst, Service, Community, …, Vertreterrat. Jeder hat irgendwie Recht und alles ist irgendwie sinnvoll und wichtig. Was ist jetzt die richtige Entscheidung? 4. „Gut ist, was dem typischen Kunden nützt“ war unser Hilfsanker im positiven Sinne. Wir machen nichts, was nur Einzelnen zugute kommt, sondern der Masse an Mitgliedern hilft. Und da kommt die Statistik ins Spiel. Die sog. Repräsentativität ist im Kern nur durch eine ZUFALLSAUSWAHL zu erreichen. Ich formuliere es mal ganz drastisch: Selbst wenn die „Max Musterkanzlei“ (also die durchschnittlichste aller Durchschittskanzleien) sich bei uns mit ihren Wünschen melden würde, sie wäre nicht „repräsentativ.“ Jede Quelle, die auf irgendeiner Form der (Selbst-) Selektion basiert, ist (per Definition) nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit (im statistischen Sinne / außer die Grundgesamtheit ist genau so definiert…) Machen wir ein paar Beispiele: a) wenn ich wissen möchte, welche gesellschaftlichen Probleme Deutschland lösen sollte und wie „ganz Deutschland“ darüber denkt, sollte ich nicht nur Mitglieder von der Partei „Die Grünen“ befragen. (Und auch nicht von der SPD oder CDU oder sonst irgendeiner Partei.) Natürlich kann man das machen, weil man annimmt, dass Politiker wirklich die Meinung der Bevölkerung repräsentieren. b) wenn ich wissen möchte, ob ein Tempo-Limit sinnvoll wäre und was „ganz Deutschland“ darüber denkt, sollte ich nicht den „Bugatti-Fanclub“ befragen. Und auch nicht irgendeinen anderen Automobil-Club. Ich sollte nichtmal den ADAC befragen, auch wenn die wohl ziemlich in der Mitte sind. Sind ja trotzdem hoch-selektiv Auto-Fans. Natürlich kann man das machen. Dann hat man eine sehr klare und fundierte Meinung von Auto-Fans, aber eben nicht von „ganz Deutschland.“ c) wenn ich wissen möchte, wie die IT Affinität von Lehrer:innen (wegen der Corona Pandemie und Homeschooling-Bedarf) ist, wäre es schlecht, die Umfrage per Email zu machen. Dann erreicht man ja nur IT-Affine. Oder die Befragung nur unter Leser:innen der „Chip Online“ zu machen - offenbar sind die schon IT interessiert. Usw. Wenn ich wissen will, wie es um ALLE Lehrer:innen steht, dann muss ich auch ALLEN die gleiche Wahrscheinlichkeit (!) zur Teilnahme geben. Solange ich ZUFÄLLIG aus allen Lehrer:innen in Deutschland eine Stichprobe ziehe, ist es völlig ok, wenn da viele von denen Email-Adressen haben, oder Chip lesen. Die können sogar ein Abo haben… die dürften sogar im Vorstand einer IT-Gewerkschaft mitarbeiten… Der Punkt ist: Solange sie durch eine Zufallsauswahl selektiert wurden, sind sie repräsentativ in einem statistischen Sinne. d) wenn ich wissen möchte, was „typische Kunden“ der DATEV brauchen, dann kann ich nicht die Quelle X fragen und „gut ist es.“ Auch nicht Quelle Y, Z oder sonst einen Buchstaben. Dabei geht es nicht um die Quelle als solche, jede Quelle ist in irgendeiner Form selektiv und damit verzerrt („nicht repräsentativ“). Wir setzen auf die ZUFALLSAUSWAHL unter allen Mitgliedern. Und jetzt habe ich doch viel mehr geschrieben - am Handy! - als ich wollte, um auf einen simplen Punkt zu kommen… Ich weiß, warum wir Repräsentativität so wichtig finden und warum das entstanden ist. Ich halte das Konstrukt weiterhin für sinnvoll - an den richtigen Stellen eingesetzt. Aber in diesem Kontext glaube ich nicht mehr, dass uns dieses Wort „Repräsentativität“ weiterbringt. Warum? Natürlich kann ich die Parteien fragen, welche gesellschaftlichen Probleme Deutschland lösen sollte! Sie haben spitze, teilweise durch ihre politische Rolle geprägte Extrem-Standpunkte. Aber sie sind natürlich geeignet um ein Bild über die Lage in Deutschland zu bekommen. Nicht perfekt, sondern verzerrt. Nicht „richtig“, aber auch „trotzdem ein sehr guter Ausgangspunkt.“ Natürlich kann ich den ADAC zum Tempolimit befragen. Das Ergebnis repräsentiert nicht „ganz Deutschland“ - es ist ein stark verzerrtes Bild aus Sicht von Auto-Fans. Aber: Viele Menschen in Deutschland SIND Auto-Fans! Wir sind eine Auto-Nation! Natürlich ist es wichtig, was der ADAC zu einer solchen Frage denkt! Und natürlich kann ich super digitale Lehrer:innen zum Digitalisierungsgrad von Lehrer:innen in Deutschland fragen. Gehen die dann von sich aus? Wie gut wissen die dann wirklich was ihre Kolleg:innen brauchen? Es wird nicht vollkommen richtig sein, aber ein sehr wertvoller Impuls aus Sicht von Experten, die ein Gespür für ihren Berufsstand haben. Zum Abschluss hoffe ich, dass ihr meinen Punkt verstehen konntet. Ich habe versucht Euch die Entstehungsgeschichte zu erklären. Und möchte mich bei Euch entschuldigen im Namen aller Kolleg:innen, die Euch (jemals) als „nicht repräsentativ“ bezeichnet haben. Es tut mir leid, dass Euch das gekränkt hat. Der „Witz“ ist: Ihr seid - gemäß der statistischen Definition - nicht repräsentativ. Das ist richtig so. Wichtig ist mir, dass wir neu lernen müssen, dass „nicht repräsentativ“ nicht bedeutet, dass eure Meinung nichts zählt, sondern, im Gegenteil, ihr sehr wertvolle Impulsgeber seid, die in die Zukunft schauen und uns den Weg aufzeigen, den andere vielleicht noch nicht einmal sehen. Aber das gilt für alle Quellen. Und damit lande ich wieder beim Ausgangspunkt. Ich hoffe das hilft… Liebe Grüße und gute Nacht! Alper Nachtrag: Quoten zu erfüllen reicht nicht, um repräsentativ zu sein für etwas (außer die Quote ist das einzige was zählt). Wenn ich wissen möchte, wie Deutschland über die Rettung des Hambacher Forsts denkt, dann kann ich nicht RWE-Mitarbeiter:innen befragen, obwohl dort genügend Männer und Frauen aus allen Altersgruppen arbeiten. Das entscheidende Kriterium für diese Frage ist ja nicht Alter oder Geschlecht. (Man weiß nicht was das entscheidende Kriterium ist… das ist ja die Krux! Da hilft nur die Zufallsauswahl…)
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