Liebe Teilnehmer der Community, ich bedauere die Entwicklungen die sich hier in den letzten Wochen abgezeichnet haben. Beginnend mit der Diskussion rund um die Lohn-ID, gefolgt vom Schade-Thread und dem daraus entstandenen Wunsch nach mehr Kundeneinbezug bei DATEV. Ich freue mich aber gleichzeitig, dass wir hier einen bisher sehr konstruktiven Thread mitlesen konnten. Sollten Sie bisher noch nie von DATEV zum Zwecke des Kundeneinbezugs kontaktiert worden sein, würde ich Sie bitten, zu prüfen, ob wir die Einverständniserklärung Ihrer Kanzlei für solche Zwecke erhalten haben (insbesondere: Einwilligung zur Kontaktaufnahme durch Dritte, weil wir aus Kapazitätsgründen häufig externe Dienstleister anrufen lassen müssen). Zu unserem großen Bedauern haben nämlich ca. 50% aller Mitglieder diese oder eine andere Erlaubnis nicht erteilt und werden damit leider systematisch vom Kundeneinbezug ausgeschlossen. Ich versuche Licht in diese Angelegenheit zu bringen, wohlwissend, dass es in einem solchen Beitrag niemals allumfassend abgeschlossen werden kann. Zu meiner Person Manche kennen mich ja schon, bspw., weil ich Ihre Kanzlei schon einmal besucht habe oder Sie eine Einladung zu einem Benutzerlabor, einer Fokusgruppe, einem Einzelinterview oder zu einer Online-Umfrage von mir erhalten haben Vielleicht waren Sie auch Teil meines "Experiments" hier in der DATEV Community, wo wir versucht haben, systematisch ca. 250 Kunden in den Entwicklungsprozess der FIBU-Automatisierung einzubeziehen und über mehrere Monate hinweg, täglich Fragen der Entwicklungsabteilung direkt an die Community zur Beantwortung gegeben haben und transparent über die Ergebnisse informierten? Oder Sie waren auf dem DATEV Barcamp, dort habe ich eine Session angeboten, wie Kundeneinbezug bei DATEV heute läuft. Das Feedback mehrerer Teilnehmer lautete: "Authentisch und offen für den Diskurs." So möchte ich das gerne auch heute machen. Zum Team Kundeneinbezug bzw. zur Abteilung UX Ich arbeite seit etwas mehr als drei Jahren bei DATEV in einem damals neu gegründeten Team Kundeneinbezug ("User Research" / Teil der Abteilung "UX"). Insgesamt arbeiten aktuell ca. 35 UX Designer bei DATEV (darunter 4 User Researcher). Das ist natürlich nur ein Bruchteil unserer Entwicklungsressourcen. Diese Anzahl ist in den letzten Jahren aber deutlich aufgestockt worden und wir planen auch weiterhin UX Designer einzustellen. Wir arbeiten hier alle nach dem sogenannten „User Centered Design" Prinzip, falls Sie sich darüber informieren möchten. Zum Kundeneinbezug bei DATEV, bevor es das Team gab Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es gab schon immer Kundeneinbezug bei DATEV, bspw. über einige UX Designer, die es damals schon gab. Oder über unsere zentrale Marktforschungsabteilung, dort allerding eher mit wenig Produktbezug, sondern eher Marke, Image, allgemeine Zufriedenheit, usw. Oder über die Pilotphase. Oder über unsere anderen Kollegen, bspw. Entwickler oder Produktmanager, die z.B. den Service ausgezählt haben den Außendienst befragt haben in der Community gelesen und diskutiert haben oder selbst Kanzleien kannten, die sie einbezogen haben Und noch viel mehr… Es gab und gibt unzählige Arten, wie wir schon immer Kunden einbezogen haben. Was schon sehr lange Zeit passiert, Sie aber nicht sehen können, ist, dass Mitarbeiter im Service jeden Anruf und Service-Kontakt bearbeiten und dabei auch prüfen, ob dieser Wunsch in anderen Quellen, z.B. hier, ebenfalls genannt wurde und zählen diese hoch. Immer wenn hier ein neuer Thread erscheint, dann wird die passende Variable ebenfalls hochgezählt. Danach wird dann regelmäßig priorisiert und an die Entwicklung weitergegeben. Da laufen dann viele andere Prüfungen (Machbarkeit, Abhängigkeiten, Komplexität, etc.). Weitergegeben bedeutet also leider noch nicht, dass es auch zeitnah umgesetzt wird. Was wir leider noch nicht hinreichend hinbekommen, ist die Transparenz zurück an Sie. Auch das ist uns bewusst. Viele Kollegen haben also schon immer sehr gewissenhaft Kunden einbezogen, aber es gab keinen erkennbaren "offiziellen" Prozess, wie das zu passieren hatte, und schon gar keine Qualitätskriterien. Die größte Aufgabe nach unserer Gründung war die Etablierung von Standards und das Forcieren von immer früherem Kundeneinbezug Seit unserer Gründung haben wir konkrete Qualitäts-Standards etabliert, um die Güte des Kundeneinbezugs zu verbessern. Ich gebe Ihnen ein absichtlich überspitztes, d.h. frei erfundenes, Beispiel (ich will es nur plakativ machen): Nehmen wir an, Sie fragen einen Entwickler, ob er Kunden einbezogen hat als er die Neuerung entwickelte. Er sagt voller Stolz: Natürlich, das machen wir immer so! Wie haben acht Pilotkanzleien, die an der Entwicklung beteiligt gewesen sind, nach Nürnberg eingeladen. Es gab Häppchen und gute Stimmung. Dann haben wir unsere Neuerungen voller Enthusiasmus präsentiert und gefragt, ob die Piloten die Neuerung gut finden. Sie haben alle "Ja" gesagt. Der Kollege empfindet das gut und sinnvoll. Und er zeigt sich erschüttert als Sie fragen, ob das denn aus seiner Sicht den Vorstellungen vom Großteil unserer Mitglieder und Anwender entspricht. Und ob sie das auch so gesagt hätten, wenn sie nicht durch Essen und gute Stimmung erheitert gewesen wären. Und wenn sie nicht an der Entwicklung beteiligt gewesen wären oder, wenn wir ihnen nicht alles voller Enthusiasmus gezeigt und erklärt hätten, usw. An diesem fiktiven Beispiel sieht man sehr schön, wie wir es nicht machen wollen. Bei unseren Qualitätskriterien geht es um die sogenannte Testgüte. Wir achten darauf, dass • zufällige Anwender in hinreichend großer Anzahl (Repräsentativität) • unbeeinflusst durch Ort, Fragen, Interviewer oder Beobachter / Auswerter (Objektivität) • relevante Fragen zu alltäglichen Prozessen (Validität) beantworten. • Außerdem wollen wir sicherstellen, dass die Erkenntnisse frei von Zufallsfehlern, d.h. reproduzierbar, sind (Reliabilität) Anhand dieser Kriterien können Sie gerne überprüfen, ob ihr Vorschlag diese erfüllt und für uns als Kundeneinbezugs-Methode in Frage kommen würde. Früher hat so ein Kundeneinbezug, z.B. ein Benutzerlabor, mit all seinen Vorbereitungen ca. 4-6 Wochen benötigt (im Wesentlichen, um die richtigen Testpersonen in ausreichender Anzahl zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit hinreichend gutem Testgegenstand und Testdaten, die einen Test des Szenarios ermöglichen). Ja, unser Qualitätsanspruch hatte leider auch zeitliche Implikationen. Wir konnten so pro Jahr ca. 80-100 Neuerungen testen und dabei ca. 4.000 – 5.000 Kunden einbeziehen (allein bei uns im Team), das bedeutet auch: Wir konnten nicht alle Neuerungen testen. Vorletztes Jahr haben wir den Prozess so verschlankt, dass wir jetzt alle zwei Wochen (nach jedem "Sprint") jede Neuerung testen können (in einem Benutzerlabor) und dabei unsere Testgütekriterien weiterhin einhalten. Achtung: „Können" bedeutet, dass es weiterhin Teams und Projekte geben kann, die darauf bewusst, unbewusst oder aus Kapazitätsgründen verzichten. Durch diesen spürbaren Effizienzgewinn sollte sich die Häufigkeit des Kundeneinbezugs noch einmal deutlich erhöhen – wir befürchten aktuell sogar schon, dass viele Kanzleien uns die Einwilligung für Kundeneinbezug wieder entziehen werden (siehe oben), weil sie zu häufig kontaktiert werden. Außerdem haben wir einen Prozess geschaffen, damit Kundeneinbezug immer früher stattfinden kann. Unser Fortschritt hier ist beachtlich. Vor drei Jahren haben wir tatsächlich fast nur kurz vor Auslieferung getestet und hatten dann kaum Zeit die Änderungen einzubauen. Heute sieht das schon deutlich besser aus und sehr viele Tests finden in einer sehr frühen Phase, bspw. bereits der Ideen- oder der Konzeptionsphase, statt. Unsere aktuelle Herausforderung lautet: Durch Kundeneinbezug noch aktiver mitgestalten In der Vergangenheit waren wir in unserem Team eher reaktiv unterwegs. Wir haben die Standards etabliert und Prozesse verschlankt. Und wir haben die Listen der Neuerungen „abgearbeitet," um sicherzustellen, dass die Neuerungen hinreichend getestet werden. Aktuell gestalten wir die Prozesse des Hauses derart mit, damit wir auch durch Kundeneinbezug überprüfen, ob wir überhaupt das Richtige tun. Stichwörter wären beispielsweise: Customer Journey Analysen oder bedürfnisbasierte Segmentierungen. Dadurch werden wir in Zukunft vielleicht weniger häufig Dinge auf den Markt bringen, die an Ihren Bedürfnissen vorbeigehen und mehr Dinge tun, die auf Ihre Bedürfnisse einzahlen. Allerdings stecken wir, damit meine ich das Team Kundeneinbezug, da heute noch in den Anfängen und schaffen gerade die Grundlagen. Das wird leider nicht von heute auf morgen gehen. Abschließende Worte Ich möchte Sie bitten hier weiterhin Ihr Feedback zu geben und, sofern nötig, kritisch zu bleiben. Einige der hier geführten Diskussionen habe ich schon verwendet, um Diskussionen intern bei DATEV auszulösen und (in Ihrem Interesse) weiterzuführen. Es ist sehr schade, wenn uns kritische Kollegen verlassen. Vielleicht schaffen wir es in Zukunft auch häufiger, diese Diskussionen direkt mit Ihnen zu führen – die Ereignisse der letzten Wochen und die dadurch ausgelöste offene und authentische Reaktion meiner DATEV-Kollegen empfand ich persönlich als sehr gelungen. Viele Grüße und schon Mal ein schönes Wochenende Alper (Aslan)
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