Sehr geehrter Herr Kollege @Michael-Renz, zunächst vielen Dank für Ihre sehr persönliche Rückmeldung. Ich erkenne an, dass Sie sich ernsthaft für die Zukunft der Genossenschaft einsetzen – und dass Sie sich auch emotional involviert fühlen. Das verdient Respekt. Gestatten Sie mir dennoch einige Klarstellungen. Sie werfen mir vor, ich hätte „Fehlinformationen verbreitet“. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf – allerdings ohne konkrete Anhaltspunkte. Wenn Sie mir inhaltlich widersprechen möchten, freue ich mich auf eine sachliche Auseinandersetzung. Wenn aber pauschal von „Fehlinformation“ gesprochen wird, ohne Benennung der konkreten Aussagen, dann schadet das dem Austausch mehr, als es ihm nützt. Übrigens: Ich habe meine Stellungnahme zur Satzungsänderung ganz bewusst nicht an Sie adressiert – und dennoch hat sie Sie scheinbar erreicht. Das freut mich, denn es zeigt, dass der Diskurs stattfindet. Dass Sie ihn allerdings als persönlichen Angriff empfinden, überrascht mich. Ich habe in meinen Beiträgen niemanden beschimpft – ironische Zuspitzungen ja, persönliche Herabsetzungen nein. Sie argumentieren, dass jemand, „der jahrelang Steuer oder Jura paukt“, kaum geeignet sei, ein IT-Unternehmen zu führen. Dieser Gedanke klingt im ersten Moment plausibel – geht bei DATEV aber am Kern vorbei. Denn: Die DATEV ist kein beliebiges Tech-Unternehmen, sondern eine Genossenschaft mit einem klaren Auftrag – nämlich der Entwicklung berufsnaher IT-Lösungen für Angehörige des steuerberatenden Berufsstands. Wer diese berufliche Praxis nicht versteht, wer nicht nachempfinden kann, wie eine Kanzlei funktioniert und wo deren digitale Schmerzpunkte liegen, kann auch keine Lösungen entwickeln, die wirklich tragen. Insofern ist es nicht nur legitim, sondern fast notwendig, dass Führungspersönlichkeiten bei DATEV aus der Mitte des Berufsstands stammen. Man könnte sagen: Auch ein Verteidigungsminister muss keine Panzer fahren können, und ein Finanzminister muss nicht jede Fußnote des EStG beherrschen. Entscheidend ist, dass er das Ressort strategisch versteht und verantwortlich führen kann. Genauso ist es bei DATEV: Ein Vorstand muss kein Cloud-Architekt sein – aber er oder sie muss die Bedarfe der Mitglieder erfassen und glaubwürdig vertreten können. Was die aktuelle Satzungsänderung betrifft, so lässt sich aus mehreren Wortmeldungen in der Community – auch Ihrer – ableiten, dass sie wohl nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hat. Eine offizielle Bestätigung liegt mir bisher nicht vor; persönliche Rückmeldungen von anderen Vertreter:innen habe ich bislang nicht erhalten. Umso erstaunlicher ist für mich der Frust, den Sie artikulieren – denn eine demokratische Ablehnung ist keine Blockade, sondern Ausdruck genau jenes Mitbestimmungsprinzips, auf das sich unsere Genossenschaft beruft. Dem steht gegenüber, dass bei der vorhergehenden Satzungsänderung – nach deren erstmaliger Ablehnung – einfach ein zweiter Anlauf genommen wurde. Ein solches Vorgehen mag formal zulässig sein – aber es widerspricht dem demokratischen Grundverständnis, wonach eine abgelehnte Vorlage nicht beliebig oft wiederholt werden sollte, bis das gewünschte Ergebnis eintritt. Wenn wir also über demokratische Prozesse sprechen, dann bitte vollständig – nicht nur dann, wenn das Ergebnis nicht gefällt. Sie schreiben, einige „alte weise eitle Männer“ würden sich nun weiterhin auf ihre „gesellschaftlichen Auftritte“ konzentrieren dürfen – während „junge engagierte Kolleg:innen“ durch die gescheiterte Reform gebremst würden. Diese Zuspitzung verkennt, was aus der öffentlichen Diskussion deutlich wurde: Kritik an der Satzungsänderung kam nicht etwa aus einem strukturkonservativen Reflex, sondern häufig aus inhaltlichen Bedenken – insbesondere gegenüber der Schwächung demokratisch legitimierter Gremien. Wenn wir junge Kolleg:innen zum Mitmachen ermutigen wollen, dann brauchen wir keine Reform mit weichgespültem Modernisierungslabel – sondern überzeugende und transparente Beteiligungsmodelle. Wenn also ein Vorschlag zur Satzungsänderung nicht überzeugt, wird er abgelehnt. Das ist kein Versagen, sondern ein gesunder Vorgang – und ein Zeichen dafür, dass unsere Genossenschaft als Mitbestimmungsgemeinschaft funktioniert. Vielleicht ist es an der Zeit, den Begriff Modernisierung wieder mit Inhalten zu füllen – und nicht mit Empörung. Was mich allerdings wirklich irritiert, ist die völlige Abwesenheit von Selbstkritik. Warum wird eigentlich nicht einmal die Frage gestellt, weshalb die Satzungsänderung keine Mehrheit gefunden hat? Hält man all jene, die sich aus inhaltlichen oder strukturellen Gründen gegen diesen Vorschlag entschieden haben, für rückwärtsgewandte Schwachköpfe? Ist es nicht vielmehr so, dass die Reform einfach nicht überzeugt hat – zumindest nicht die Mehrheit der Abstimmenden? Wer wirklich etwas verändern will, sollte sich weniger mit den vermeintlichen Blockierern beschäftigen – und mehr mit den Gründen, warum die eigene Idee durchgefallen ist. Demokratie lebt nicht vom Automatismus des Beleidigtseins, sondern von der Bereitschaft zur Reflexion. Mit kollegialem Gruß Henning Heitschmidt
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