Projekt „Alles in die Cloud“ – begründete Skepsis aus Anwendersicht Ich möchte im Rahmen der aktuellen Diskussion um das DATEV-Cloudprojekt einige sachliche Bedenken schildern. Diese basieren nicht auf einer generellen Ablehnung von Cloud-Lösungen, sondern auf praktischen Erfahrungen mit bestehenden DATEV-Online-Anwendungen – insbesondere Unternehmen online (UO) als vorgelagertem Belegsystem. 1. Ausgangspunkt meiner Einschätzung Meine Skepsis entsteht nicht aus Prinzip, sondern aus meinen konkreten Erfahrungen im laufenden Alltagsbetrieb. Wenn bereits bestehende Online-Lösungen funktionale oder ergonomische Schwächen aufweisen, stellt sich für mich die Frage, ob DATEV in der Lage ist, das komplexe und bewährte Rechnungswesen in gleicher Qualität als Cloud-Version umzusetzen. 2. Beobachtete Probleme in Unternehmen online Anhand von UO lassen sich verschiedene Punkte identifizieren, die aus meiner Sicht beispielhaft zeigen, dass die Online-Entwicklung derzeit noch deutliche Schwächen hat: a) Lesbarkeit der Belegbilder Beim Durchwandern der Belegsätze sind die Belegbilder teilweise so verkleinert oder ungünstig dargestellt, dass sie nur schwer oder gar nicht lesbar sind – was zu häufigem Vergrößern, Verschieben oder Öffnen im externen Viewer führt. b) Verlust der Arbeitsposition Wenn ein Beleg zur detaillierten Ansicht geöffnet oder gezoomt wird, verliert das System beim Zurückspringen teilweise die Position im Belegsatz. Das führt zu unnötigen Suchvorgängen und Arbeitsunterbrechungen. c) Fehlende Unterstützung für einen zweiten Bildschirm Eine Darstellung der Belegbilder auf einem zweiten Monitor ist nicht vorgesehen. Für viele Anwender ist genau diese Arbeitsweise aber Standard, da sie Geschwindigkeit und Übersicht massiv erhöht. d) Ineffiziente Informationsanordnung Die Benutzeroberfläche wirkt teilweise überladen oder ungünstig strukturiert. Wertvoller Bildschirmplatz wird von weniger relevanten Informationen belegt, während häufig benötigte Inhalte zu wenig Raum erhalten. e) Begrenzte Anpassbarkeit Spalten können nur eingeschränkt ausgewählt werden, individuelle Ansichten lassen sich nicht dauerhaft speichern. Eine flexible, personalisierbare Oberfläche wäre jedoch ein wesentlicher Produktivitätsfaktor. f) Weitere Detailprobleme Die Liste der Auffälligkeiten ließe sich fortsetzen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie den Eindruck erwecken, die ergonomische und fachliche Optimierung der Online-Plattform werde noch nicht mit der gleichen Sorgfalt verfolgt wie bei den etablierten Desktop-Programmen. 3. Übertragbarkeit auf das zukünftige Cloud-Rechnungswesen Vor diesem Hintergrund stellt sich für mich die Frage, ob die Entwicklerteams in ihrer aktuellen Struktur und Methodik tatsächlich in der Lage sind, das vollständig ausgereifte, jahrzehntelang optimierte Rechnungswesen der klassischen DATEV-Welt in eine moderne Online-Architektur zu überführen – ohne Funktionsverluste oder erhebliche Effizienzeinbußen. Das ist eine große, komplexe Aufgabe. Skepsis erscheint daher nicht nur verständlich, sondern notwendig, um die Qualität sicherzustellen. 4. Fehlende transparente Einbindung der Anwender Besonders kritisch sehe ich, dass nach meinem Kenntnisstand bereits Beta-Versionen existieren sollen, diese aber nicht mit realitätsnahen Testdaten von Anwendern geprüft werden dürfen. Gerade frühe, breit gestreute Praxistests wären aus meiner Sicht unverzichtbar, um die Alltagstauglichkeit sicherzustellen und Fehlentwicklungen zu vermeiden. 5. Fazit Ich begrüße den Schritt in Richtung Cloud grundsätzlich – aber unter der Voraussetzung, dass Qualität, Bedienbarkeit und Funktionsumfang mindestens das Niveau der bestehenden Lösungen erreichen. Aktuell geben mir die Erfahrungen mit UO Anlass zu Zweifeln, ob DATEV schon an diesem Punkt ist. Eine offenere Kommunikation, eine stärkere Beteiligung der Praxis und ein nachvollziehbarer Entwicklungsprozess könnten helfen, Vertrauen aufzubauen.
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