@blum schreibt in einem Beitrag: "Evtl. bin ich aber auch einfach zu Alt für die Art der Programmvielfalt von Euch." und meint damit die DATEV. *„Zu alt für die Programmvielfalt“ – vielleicht eher: zu lange dabei, um uns von Begriffen wie „360°-Mandantensicht“ oder „Kommunikationswidgets“ beeindrucken zu lassen. Wenn man als Kanzlei über Jahre hinweg auf stabile Prozesse, belastbare Systeme und nachvollziehbare Abläufe setzt, verliert man nicht den Anschluss – man gewinnt Souveränität im Umgang mit neuen Plattformversprechen. Ich beobachte das Thema My DATEV Kanzlei regelmäßig, weil ich prinzipiell schon lange eine sichere Möglichkeit zur Kommunikation mit Mandanten in der DATEV-Welt vermisse. Alle bisherigen Versuche sind ja grandios gescheitert. Mein lokaler "DATEV-Verantwortlicher" (by the way: der x-te innerhalb einiger Jahre) hat mir noch Anfang des Jahres wichtige zusätzliche Funktionalitäten für MyDATEV-Kanzlei angekündigt, als ich das Thema skeptisch beleuchtet hatte. Ich habe mir nun auf Grundlage der offiziellen DATEV-Serviceinformation („Funktionsbeschreibung MyDATEV Kanzlei und MyDATEV Kanzlei basis“, Stand Januar 2025 - entgegen der Ankündigung hat sich also seither nichts getan) einen Überblick über die Unterschiede zwischen Basis- und Vollversion verschafft – soweit das ohne weitergehende Community-Recherche möglich war - um mich auf den aktuellen Stand zu bringen. Unverändert im Funktionsumfang liegt der Hauptunterschied in der Erweiterung um Kommunikationsfunktionen mit Mandantinnen und Mandanten: – Dokumente und Nachrichten können ausgetauscht werden, – Mandantinnen können Aufgaben zugewiesen bekommen, – dazu kommen diverse Widgets und die sogenannte „360°-Mandantensicht“. Was davon im Alltag tatsächlich Mehrwert bringt, bleibt für mich offen. ▪ Dokumentenaustausch: Ist auch über DUO, Meine Steuern oder klassisch per E-Mail möglich. Ob „MyDATEV Senden“ in MyDATEV Kanzlei funktional darüber hinausgeht, lässt sich ohne Anwendung nicht beurteilen. ▪ Kommunikationsfunktion: Wenn sie auf dem bisherigen Nachrichtensystem aufbaut, dürfte es sich eher um eine einfache Chat-Lösung handeln. Die Integration in DATEV mag ein Vorteil sein – aber ob das im Kanzleialltag gegenüber sicherer E-Mail-Kommunikation den Ausschlag gibt, bleibt für mich fraglich. ▪ Aufgabensteuerung mit Mandanten: Gemeint ist wohl die Zuweisung von Aufgaben an Mandanten, etwa zur Belegbereitstellung oder Rückmeldung. Das ist vom Konzept her interessant – aber auch hier stellt sich die Frage, ob der Aufwand für Einführung, Betreuung und Lizenzen in einem vernünftigen Verhältnis steht. Nach meiner persönlichen Einschätzung: nicht. E-Mail, Telefon und Brief genügen da auch noch - wie gesagt: wenn nicht wirklicher "Mehrwert" geliefert wird. Und wenn man das geschäftsfeldbezogen betrachtet und überlegt, wo dafür Bedarf besteht, dann hat man "Meine Steuern", "Mandantendialog" und - eher eingeschränkt - DUO. Zwar "Silos" aber funktionsfähig. ▪ Widgets und 360°-Mandantensicht: Die Begriffe klingen modern – aber was damit konkret organisatorisch besser lösbar sein soll, erschließt sich mir bislang nicht. Begriffe wie „360°“ erinnern mich eher an den Körperscan beim Check-in als an ein relevantes Steuerungselement. Zur Microsoft-Teams-Integration: Die funktioniert in DATEVnet-/Proxy- und Terminalserver-Umgebungen nach meiner Erfahrung eher schlecht als recht. Und gerade deshalb ist es bemerkenswert, dass DATEV ihren Gang in die Wolke unter anderem mit dem Ziel begründet, sich aus der Abhängigkeit von Microsoft zu lösen – dabei aber auf Microsoft Teams, Microsoft 365 und Azure als zentrale Bestandteile setzt. Das passt für mich nicht zusammen. Und nicht zuletzt: Auch wenn alle Funktionen technisch funktionieren würden – die Mandanten müssen sie mittragen. Das ist natürlich ein generelles Problem, das sich mit fortschreitender Zeit nivellieren wird. Nach meiner Einschätzung wird das aber aktuell nicht durchgängig der Fall sein. Für manche mag der Einstieg gelingen, bei anderen dürfte es an Zugang, Bereitschaft oder Verständnis schlicht scheitern. Der Preis spielt schließlich auch eine Rolle. Und MyDATEV Kanzlei ist in meinen Augen teuer - gemessen am eingekauften Leistungsspektrum. Das E-Postfach zeigt, wie sich die DATEV mit ihrer Preispolitik verkalkuliert. Hier hat sie unlängst einen dramatischen Rückzieher gemacht. Das könnte ja vielleicht ein Ergebnis der Konkurrenzbeobachtung gewesen sein. Nur: Das E-Postfach wird JEDEM angeboten. Da muss man auch anderes Klientel im Blick behalten. MyDATEV Kanzlei wird nur den Genossinnen und Genossen angeboten. Und die kann man dann ja schröpfen? Gesamtfazit: Die Vollversion von MyDATEV Kanzlei erklärt, sichtbare Oberflächenveränderung und einige neue Werkzeuge zu bringen – aber keine strukturelle Verbesserung, die für meine Kanzlei den Umstieg aktuell lohnend macht. Wenn das der Aufbruch in die Cloud sein soll, hat sich die DATEV vielleicht schon mit dem ersten Schritt den Fuß verknackst.
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