Plädoyer für Sachlichkeit: Herausforderungen im digitalen Bescheidabruf Als ehemaliger Finanzbeamter (zugegeben schon lange her, aber dennoch bestens noch vernetzt in der Finanzverwaltung) sowie langjähriger Pilotanwender digitaler Steuerprozesse (u. a. VaSt, Rabe-Verfahren, digitale Bescheidbekanntgabe) möchte ich zur Versachlichung der aktuellen Diskussion beitragen. Meine Erfahrung zeigt, dass die Ursachen für die aktuellen Schwierigkeiten nicht bei unserem Softwareanbieter DATEV alleine liegen, sondern struktureller Natur sind. Die Kernprobleme liegen m.E. in erster Linie bei der Finanzverwaltung Die Finanzverwaltung operiert mit dem über 25 Jahre alten Elster-Programm und hat die eigenen Abläufe oft nicht im Griff. Unkoordinierte Prozesse: 16 Bundesländer nutzen teilweise unterschiedliche, nicht abgestimmte Verfahren der Übermittlung. Intransparente Änderungen: Prozessänderungen im Hintergrund werden oft gar nicht oder viel zu spät auch mit der DATEV kommuniziert. Chaos bei der Zustellung: Während früher Bescheide verlässlich nachts bereitgestellt wurden, erfolgt die Bereitstellung nun unkoordiniert über den ganzen Tag verteilt, was ständige, manuelle Abrufe der Kanzleien notwendig macht. Oft passen E-Mail-Benachrichtigung und tatsächliche Bereitstellung zeitlich nicht mehr zusammen. Mangelnde Schulung: Häufig wissen die Finanzbeamten vor Ort selbst nicht über die digitalen Neuerungen (z. B. beim RABE-Verfahren) Bescheid. Positiver Einsatz der DATEV In diesem schwierigen Umfeld leistet die DATEV m.E. eine sehr gute Arbeit, wofür ich den Mitarbeitern ausdrücklich ein Lob aussprechen möchte: Reaktion statt Information: Die DATEV erhält Informationen über Neuerungen oft erst kurzfristig vor der Freigabe und wird im Informationsfluss nicht mehr priorisiert. Das müsste durch unsere Kammern mehr in den Vordergrund gebracht werden. Hoher Einsatz: Trotz des fehlenden Zeitvorsprungs reagiert die DATEV m.E. sofort auf die ständigen, unangekündigten Verfahrensänderungen der Verwaltung – oft unter Einsatz von Wochenendarbeit. Sprachrohr für den Berufsstand: Wenn die DATEV auf Probleme hinweist, (das sehr wohl ständig passiert) reagiert die Finanzverwaltung meist verständnisvoll; leider geschieht dies oft erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Anstatt unseren Unmut nur auf die DATEV und die Mitarbeiter zu projizieren, sollten wir als Genossenschaft zusammenstehen. Ich empfehle, die konkreten Probleme gezielt z.B. in den "Klimagesprächen" vor Ort mit den Elster-Beauftragten der Finanzämter oder durch die Kammervertreter anzusprechen, da uns ab dem 01.01.2026 mit weiteren Verfahrensänderungen u.a. Steuerkonto und Ausweitung der digitalen Bekanntgaben wohl noch größere Herausforderungen erwarten. Ich bin weder DATEV-Vertreter, noch wird dieser Eintrag durch die DATEV oder einer der Verantwortlichen vorab abgestimmt oder besprochen.
... Mehr anzeigen