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Quarantäne UND Arbeitsunfähigkeit - Entgeltfortzahlung oder Verdienstausfall nach § 56 IfSG?

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letzte Antwort am 25.10.2022 12:11:06 von Flitze0815
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Alexander_Herrmann
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Liebe Community,

 

aus aktuellem Anlass kursieren derzeit eine Vielzahl von Informationen unterschiedlicher Qualität zum Thema Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz und deren Auswirkung auf die Entgeltabrechnung im Netz.

 

Die Frage ob und wann grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls nach § 56 IfSG vorliegt, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Hierzu gibt es bereits detaillierte Ausführungen unter https://www.datev-community.de/t5/Personalwirtschaft/Coronavirus-Entsch%C3%A4digung-nach-56-IfSG/m-p/139992#M31322

 

Darum wird hier unterstellt, dass sich der betroffene Arbeitnehmer zunächst ohne eigene Krankheitssymptome in amtlich angeordneter Quarantäne gem. § 30 IfSG befindet, da er als Kontaktperson zu einer infizierten Person als potentiell ansteckungsgefährdet gilt.  

 

Wenn nun bei diesem Arbeitnehmer während der Quarantäne eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit hinzukommt, dann stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis der normalerweise geltende § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz zum § 56 Infektionsschutzgesetz steht.

 

Die Lösung dieser Frage steht  im Gesetz in § 56 Abs. 7 Infektionsschutzgesetzt:

Dort heißt es:

 

"Satz 1: Wird der Entschädigungsberechtigte arbeitsunfähig, so bleibt der Entschädigungsanspruch in Höhe des Betrages, der bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Berechtigten auszuzahlen war, bestehen.

 

Satz 2: Ansprüche, die Berechtigten nach Absatz 1 Satz 2 wegen des durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Verdienstausfalls auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften oder eines privaten Versicherungsverhältnisses zustehen, gehen insoweit auf das entschädigungspflichtige Land über."

 

Die in S. 2 genannten "anderen gesetzlichen Vorschriften" sind insbesondere der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 EFZG und der Krankengeldanspruch gem. § 44 SGB V.

 

Damit ist klar, dass in dem geschilderten Beispielsfall vom Arbeitgeber weiterhin die Entschädigung nach § 56 IfSG abzurechnen ist und dieser einen Erstattungsanspruch gegen das jeweilige Bundesland hat.

 

Nichts anderes sagt im übrigen auch die einschlägige Kommentierung zu § 56 IfSG (Erdle, Kommentar zum Infektionsschutzgesetz, 7. Auflage, erschienen am 10.03.2020 im ecomed-Verlag).

 

Bemerkenswert ist insoweit, dass namhafte Institutionen wie bspw. die AOK Bayern mit diversen Rundschreiben exakt das Gegenteil behaupten und die Anwendung des § 3 EFZG im oben genannten Fall bejahen.

Viele Grüße,
RA/StB Alexander Herrmann, Ravensburg
dtx
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Im Grunde hat die AOK ja nicht unrecht damit, daß sie sich im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eines unter Quarantäne stehenden Arbeitnehmers nicht einfach budgetschonend zurücklehnen kann.

 

Die Frage ist nur, wie den Folgen aus dem Forderungsübergang an das Land in der Praxis Genüge getan werden sollte, wenn die Arbeitgeber daran nicht mitwirken. Das Land dürfte nicht einmal Kenntnis von seinen Forderungen gegen die Krankenkasse erhalten, geschweige denn in der Lage sein, die Erstattungsanträge zu erstellen und an die Krankenkassen zu übermitteln, falls es denn von den Fällen wüßte.

 

Also wird es wohl beim gewohnten Verfahren bleiben mit dem Unterschied, daß von der Krankenkasse nun kein zusätzliches Geld kommt und folglich in der Buchhaltung die von den Schnittstellen zur Lohnbuchhaltung beschickten Forderungskonten unausgeglichen bleiben werden.

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meysa
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Nachricht 3 von 27
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Besteht so ein Forderungsübergang faktisch überhaupt?

 

Hintergrund:

 

§3(2) 6. Strich der AU-Richtlinie besagt:

"Arbeitsunfähigkeit besteht insbesondere nicht [...] wenn Beschäftigungsverbote nach dem Infektionsschutzgesetz ausgesprochen wurden."

 

Demnach bestünde (mangels AU) gar kein Anspruch des AN auf Lohnfortzahlung nach §3 EFZG, der gem. § 56 (7) IfSG auf das Land übergehen könnte....

 

Eine evtl. ausgestellte AU wäre (zumindest für den Zeitraum der Überschneidung von Quarantäne und Erkrankung) zu Unrecht ausgestellt.

 

Kommt mir aber eigenartig vor... Habe ich einen Denkfehler? Weiß jemand was dazu?

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danielvoss
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Nachricht 4 von 27
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Hallo zusammen,

 

wir verzweifeln gerade an der Kombination Arbeitsunfähigkiet und Quarantäne. Wir erhoffen uns hier Hilfe. Anbei der Sachverhalt:

 

Als ambulanter Pflegedienst betreuen wir pflegebedüftige Patienten. Am 03.04.2020 wurde uns mitgeteilt, dass bei einer Patientin Verdacht auf Corona besteht. Nach Kontaktaufnahme mit dem Gesundheitsamt wurden am selben Tag sämtliche Mitarbeiter, die in Kontakt zur besagten Bewohnerin standen, zur Abstrichstelle geschickt und Arbeitsunfähig krank geschrieben. (hatten jedoch keine Symptome, waren also auch nicht "krank") Die entsprechenden Mitarbeiter haben dementsprechend ab dem 03.04.2020 die Arbeit eingestellt. Am Montag, den 06.04.2020 bestätigte sich der Verdacht auf Corona, so dass das Gesundheitsamt, jedoch erst von diesem Tag an, die Quarantäneanordnungen für die Mitarbeiter für den Zeitraum 06.04. – 17.04.2020 verschriftlicht hat.

 

Um den Sachverhalt 03.04 - 05.04. mit dem LWL zu klären haben wir diesen verschriftlicht und als Antwort erhalten, dass aufgrund der Arbeitsunfähigkeit überhaupt kein Anspruch auf Erstattung nach Infektionsschutzgesetz bestehen würde (auch nicht für die bescheinigte Quarantäne) da der Mitarbeiter ja aufgrund der AU nicht arbeitsfähig gewesen sei und nicht aufgrund der Quarantäneanordnung.

 

Dieses hat uns ziemlich "schockiert" da wir davon ausgegangen sind, dass wir natürlich die Quarantäne abrechnen dürfen. Bei 12 betroffenen Mitarbeitern und keiner Umlage aufgrund der Anzahl der Mitarbeiter bleiben wir auf 12 x 2-3 Wochen Entgeltfortzahlung sitzen.

 

Kann uns jemand sagen, ob bei vorliegender AU und hinzukommender Quarantäne ein Anspruch auf Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz besteht? Unsere eigene Recherche hat als Anhaltspunkt ergeben dass der Arzt keine AU hätte ausstellen dürfen da die Mitarbeiter ja gar nicht krank gewesen sind (waren ja symptomfrei) und hier der Fehler liegt.

 

Der Form halber: §616 BGB ist arbeitsvertraglich ausgeschlossen.

 

Wir würden uns sehr über Hilfestellung freuen.

 

Lieben Gruß

 

Daniel Voß

 

 

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coester
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Hallo Herr Voß,

 

da ich mich selber schon enorm über diverse Gesundheitsämter geärgert habe, die in "Wild-West-Manier"

Absonderungen verteilt haben und dann, wenn es um die Erstattung ging, versuchten alle Ansprüche von sich zu weisen, möchte ich mal folgenden Denkanstoß in den Raum werfen:

 

1. Von wem wurde die Abstrichstelle denn geleitet ? Das wird - ohne dass ich mich großartig im Medizinrecht auskenne - doch höchstwahrscheinlich das zuständige Gesundheitsamt gewesen sein...

2. Durfte, wenn 1. zutrifft, dann das Gesundheitsamt überhaupt "krank"-schreiben ??? Auch das halte ich für fraglich, denn meiner Ansicht nach, hätten die nur Absonderungen ausstellen dürfen...

3. Wenn 2. zutrifft, dann sind Ihre Mitarbeiter überhaupt nicht "krank" sondern "abgesondert" vom ersten Tag an und Ihnen steht die Entschädigung zu...

 

Gruß

 

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danielvoss
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Vielen Dank für die Antwort.

 

In unserem Kreis wurde extra ein "Corona Behandlungszentrum" eröffnet. Wer das initiiert hat kann ich nicht sagen. Jedoch liegen uns von diesem Zentrum übliche, auf den normalen Formblättern erstellte, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. In den AU´s sind auch verschiedene Ärzte namentlich benannt. Das Gesundheitsamt selbst hat uns ja auch die Quarantäneanordnungen ausgestellt (wenn auch meiner Meinung nach zu spät). Problem ist aber ja der Landschaftsverband.

 

Daher zweifel ich daran, dass wir die AU als solche anzweifeln können.

 

Wir sind daher weiterhin an der Beantwortung der Grundfrage interessiert.

 

Lieben Gruß

 

Daniel Voß

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coester
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@danielvoss :

 

"Unsere eigene Recherche hat als Anhaltspunkt ergeben dass der Arzt keine AU hätte ausstellen dürfen da die Mitarbeiter ja gar nicht krank gewesen sind (waren ja symptomfrei) und hier der Fehler liegt."

 

"Daher zweifel ich daran, dass wir die AU als solche anzweifeln können"

 

Da widersprechen Sie sich doch selber, oder ?

 

Ich bleibe bei meiner Aussage: Die Rechtmäßigkeit der AU´s muss, notfalls mit Hilfe eines Fachanwalts, geklärt werden.

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meysa
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Ich habe von diesen Aussagen der Länder auch schon mehrfach gehört. Meiner Ansicht nach ist das ein Versuch sich um die Erstattungspflicht zu drücken.

 

Anspruch auf Lohnfortzahlung wegen Krankheit hat man doch, wenn man auf Grund einer Erkrankung arbeitsunfähig ist.

 

Näheres dazu regelt die AU-Richtlinie:

§2 Abs. 1 Satz 1: "Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn Versicherte auf Grund von Krankheit ihre zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können."

 

§3 Abs. 1: "Arbeitsunfähigkeit besteht nicht, wenn andere als die in §2 genannten Gründe Ursache für die Arbeitsverhinderung  (...) sind."

 

Außerdem ist unter §3 Abs.2 S.1 im 6. Spiegelstrich noch mal ausdrücklich genannt, dass während eines Beschäftigungsverbotes nach IfSG keine AU besteht.

 

 

Ich würde mir dazu einen Anwalt nehmen, denn nach meiner Rechtsauffassung dürfte das Beschäftigungsverbot allein von der Bedeutung des Gesetzes (öffentlich-rechtliche Zwangswirkung gegenüber dem Mitarbeiter) Vorrang vor dem EFZG haben. Im Internet habe ich dazu auch mal ein altes Urteil (betraf noch den Vorgänger des IfSG) gefunden. Leider weiß ich nicht mehr genau wo das war.

 

Die rein zeitliche Betrachtung "AU-Bescheinigung war vor Quarantäne da" halte ich für mehr als zweifelhaft. Zudem bezweifle ich auch die Richtigkeit der AU. Meiner Ansicht nach hätte gar keine AU ausgestellt werden dürfen sondern von Anfang an die Quarantäne.

Ich habe den Eindruck, dass die Sache mit den Vereinfachungen bei der Ausstellung von AU's oft zum Anlass genommen wurde um krank zu schreiben, obwohl eigentlich eine Quarantäne nötig gewesen wäre.
Vermutlich war den Ärzten nicht bewusst, dass es eben nicht egal ist was die AN ihrem AG vorlegen. Die haben wahrscheinlich nur gedacht "die brauchen eine Bescheinigung, dass sie nicht arbeiten können" und da fällt Ärzten eben als erstes die AU ein....

danielvoss
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@coester 

 

Aus meiner Sicht ist das kein Widerspruch.

 

Ich habe Sie so verstanden, dass Sie daran zweifeln, dass überhaupt eine Berechtigung seitens der ausstellenden Stelle besteht, eine AU austellen zu dürfen.

 

Ich zweifle nicht daran, dass die Stelle ansich eine AU ausstellen darf. Ich glaube nur dass sie es in diesem Fall nicht hätte machen dürfen da ja keine Symptome vorlagen. (nach meiner Recherche darf wohl nur eine AU ausgestellt werden wenn auch Symptome vorliegen)

 

Lieben Gruß

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danielvoss
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@meysa 

 

Vielen Dank für die ausfühliche Antwort.

 

Das derzeit einfach AU´s ausgestellt werden obwohl des hätte Quarantäne sein müssen ist ja genau der Ansatzpunkt um den es uns auch geht. Da wir mit dem Thema Quarantäne jedoch vorher auch nie etwas zu tun hatten war für uns logisch, dass man die Erstattung bekommt wenn Quarantäne vorliegt. Dass eine AU dann zum Problem wird war uns vorher auch nicht bewusst. Bei einem Folgefall würden wir jetzt natürlich wissen worauf wir zu achten haben.

 

Ich werde mich am Montag nochmal mit Ihren Ausführungen auseinandersetzen und schauen ob ich damit beim Landschaftsverband weiter komme.

 

Schade das es bei solchen Themen im Hinblick auf die derzeitigen Lage keine klare Regelungen gibt wo auch solche Sachverhalt berücksichtigt werden. Ich glaube nämlich auch das viele Ärzte erstmal krank schreiben. 

 

Dann hilft es auch nicht wenn jeden Abend für uns applaudiert wird...

 

Lieben Gruß

 

Daniel Voß

coester
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Ich drücke Ihnen für die Verhandlungen die Daumen Herr Voß !

 

Es wäre nett, wenn Sie uns über die weitere Entwicklung in Ihrem Fall auf dem Laufenden halten.

 

Viele Grüße

 

André Cöster

 

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dtx
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@meysa  schrieb:

...

 

Ich würde mir dazu einen Anwalt nehmen, denn nach meiner Rechtsauffassung dürfte das Beschäftigungsverbot allein von der Bedeutung des Gesetzes (öffentlich-rechtliche Zwangswirkung gegenüber dem Mitarbeiter) Vorrang vor dem EFZG haben. ...

 

Die rein zeitliche Betrachtung "AU-Bescheinigung war vor Quarantäne da" halte ich für mehr als zweifelhaft. Zudem bezweifle ich auch die Richtigkeit der AU. Meiner Ansicht nach hätte gar keine AU ausgestellt werden dürfen sondern von Anfang an die Quarantäne.

Ich habe den Eindruck, dass die Sache mit den Vereinfachungen bei der Ausstellung von AU's oft zum Anlass genommen wurde um krank zu schreiben, obwohl eigentlich eine Quarantäne nötig gewesen wäre.
Vermutlich war den Ärzten nicht bewusst, dass es eben nicht egal ist was die AN ihrem AG vorlegen. Die haben wahrscheinlich nur gedacht "die brauchen eine Bescheinigung, dass sie nicht arbeiten können" und da fällt Ärzten eben als erstes die AU ein....


Was auch sonst. Der erste Witz scheint zu sein, daß für den Test eine ärztliche Verordnung zur Voraussetzung gemacht wurde und einem Arzt kein anderes Vehikel zur Verfügung steht, um einen Arbeitnehmer aus der betrieblichen Organisation zu lösen, als die AU. Der zweite, daß sich Quarantäne und Arbeitsunfähigkeit nur im Gesetzestext, nicht aber in der Realität konsequent ausschließen. In Quarantäne könnte man, was dem Fragesteller freilich nicht hilft, noch in Heimarbeit am Computer sitzen, nicht aber, wenn man gleichzeitig auch mit Fieber im Bett liegt, nachdem die Infektion symptomatisch wurde.

 

Der dritte Witz dürfte sein, daß es vermutlich nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag, mittels Kompetenzgerangel zwischen Leistungsträgern die Arbeitgeber auf den Kosten sitzen zu lassen, um diese letztendlich zur im Grunde nicht beabsichtigten Kündigung der betroffenen Arbeitnehmer zu nötigen, worauf auf diese dann weitere Verpflichtungen zukämen, die sie ob ihrer Quarantäne schlichtweg nicht erfüllen dürften (taggenaue Fortschreibung der AU, um den Krankenversicherungsschutz zu erhalten, ...).

 

Eine mögliche Lösung läge darin, mit den die AU-Bescheinigung ausstellenden Ärzten Kontakt aufzunehmen und darum zu bitten, daß die bisher erteilten AU-Bescheinigungen zumindest zum Zeitpunkt der Anordnung der Quarantäne beendet werden (Erteilung einer Folgebescheinigung), so daß die vorliegende Überschneidung beseitigt wird. Ob die das mit einem Verzug von mehreren Wochen dürfen, weiß ich nicht. Eine rückwirkende Quarantäneanordnung kam für das Gesundheitsamt natürlich nicht in Betracht, weil man den Betroffenen damit womöglich in die Situation bringen würde, in dieser Zeit gegen Pflichten verstoßen zu haben, die er noch gar nicht hatte.

 

Die Inanspruchnahme anwaltlichen Ratschlags würde voraussetzen, daß man nicht nur einen sowohl im Sozialrecht versierten, als auch engagierten Anwalt findet (viele suchen sich in Anbetracht der überschaubaren Honorare bald ein anderes Betätigungsfeld), sondern auch noch einen, der sich auf diesem speziellen Gebiet auskennt - quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Und wenn es denn auf einen Prozeß am Sozialgericht hinausliefe und es keinen Antragsgrund für ein Eilverfahren gäbe, würde es Jahre dauern, bis es denn mal zu einer mündlichen Verhandlung kommt.

Mir wäre im ersten Moment schon nicht klar, wer hier beklagt werden müßte. Und viele Prozesse gehen am Sozialgericht wegen Formfehlern verloren (Nichteinhaltung des gerichtlichen Vorverfahrens, Fristversäumnisse u. dgl.).

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meysa
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@dtx : vielen Dank für die Hinweise! Natürlich kann ein Gerichtsverfahren in solchen Dingen immer lange dauern. Inwiefern es sich lohnt (z.B. weil viele Arbeitnehmer oder entsprechend hohe Gehälter betroffen sind) muss natürlich jeder Arbeitgeber selbst entscheiden.

 

Bezüglich des Home-Office:

Aus meiner Sicht müsste hier tatsächlich unterschieden werden:

Wenn der Arbeitnehmer grundsätzlich im Home-Office arbeiten kann, führt die Quarantäne an sich nicht zu einem Arbeitsausfall. Insofern müsste er ganz normal im Home-Office arbeiten und bekäme seinen entsprechenden Lohn. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Arbeit im Home-Office arbeitsrechtlich entsprechend geregelt ist.

Wenn dann während der Quarantäne Symptome auftreten und der Arbeitnehmer deshalb nicht mehr arbeiten kann, wäre eine AU nach meinem Verständnis richtig und widerspräche auch nicht der AU-Richtlinie. Denn in diesem Fall kann der AN seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit (im Home-Office) auf Grund der Erkrankung nicht mehr ausüben. Die AU ist damit die alleinige Ursache des Arbeitsausfalles.

Gibt es keine Arbeit im Home-Office (Mangels Vereinbarung, oder schlicht im entsprechenden Job nicht möglich), fällt die Arbeit schon allein auf Grund der Quarantäne aus. Zusätzlich bestehende Erkrankung ist nicht die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall und entsprechend der AU-Richtlinie bestünde keine AU.

 

Soweit zumindest mein Verständnis des Zusammenhangs.

 

Das die ganzen Regelungen nicht vernünftig aufeinander abgestimmt sind, da sind wir uns aber wohl alle einig.

 

Ich wäre gespannt zu hören, was sich beim Fragesteller am Schluss ergeben hat...

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dtx
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@meysa  schrieb:

@dtx : vielen Dank für die Hinweise! Natürlich kann ein Gerichtsverfahren in solchen Dingen immer lange dauern. Inwiefern es sich lohnt (z.B. weil viele Arbeitnehmer oder entsprechend hohe Gehälter betroffen sind) muss natürlich jeder Arbeitgeber selbst entscheiden.

 

Es kann nicht, es wird. Erfahrungsgemäß zwischen drei und vier Jahren (man kann die zuständige Geschäftsstelle beim SG anrufen und fragen, welche Fälle derzeit terminiert werden), mitunter auch länger. Am SG Hamburg war ein Streit zwischen einem Krankenhaus und der Krankenkasse, bei dem ich als Zuschauer dabei war (da wird um jeden einzelnen Behandlungsfall ein Prozeß anhängig gemacht), sieben Jahre alt. In der ersten Instanz wohlgemerkt ...

 

 

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danielvoss
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Hallo zusammen und vielen Dank für die rege Betreiligung am Thema.

 

Ich habe gerade unseren Landschaftsverband erneut mit dem Sachverhalt konfrontiert und weitere konkrete Fragestellungen formuliert. Weiterhin haben wir auch auf § 3 Ausnahmetatbestände der AU Richtlinie verwiesen. Demnach dürfte ja die Quarantäneanordnung die AU außer Kraft setzen, oder?

 

Wir werden berichten wenn wir weitere Infos haben.

 

Ein Gerichtsprozess scheint eine Option zu sein die eher auf dem Papier besteht. Neben den hier schon angesprochenen zeitlichen Dimensionen stellt sich auch die Kostenfrage.

 

Lieben Gruß und Dank.

 

Daniel Voß 

meysa
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Vielen Dank, ich bin gespannt...

 

Übrigens bezog sich mein Hinweis auf anwaltliche Hilfe in diesem Fall weniger auf die Überlegung ein Gerichtsverfahren anzustrengen, sondern tatsächlich vorrangig um Beratung.

Nicht jede anwaltliche Beratung muss gleich einen Prozess bedeuten, aber vielleicht könnte der Klarheit in die Frage bringen, welche Ansprüche vorrangig sind und was ggf. zu tun ist. Bzw. welche möglichen Schritte es außer einem Verfahren gibt (z.B. kann die AU anderweitig angezweifelt werden? Gibt es ggf. außergerichtliche Klärungsmöglichkeiten?)


Nicht zu vergessen eine mögliche Haftungsfrage. Arbeitsrechtlich wäre ja die Frage, ob die Mitarbeiter Anspruch auf Lohnfortzahlung oder auf Entschädigung haben. Da die beiden Leistungen steuer- & sv-rechtlich unterschiedlich behandelt werden, kann es hier ja (neben der Frage der Erstattung an den AG) auch Auswirkungen für die AN geben.

Hier könnte sich durchaus die Frage stellen: inwiefern besteht ein Haftungsrisiko, wenn falsch abgerechnet wurde und den AN daraus Schäden entstehen?

Soweit das anwaltlich beraten wurde, sollte das eigentlich (ggf. durch dessen Versicherung) abgedeckt sein.

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dtx
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@danielvoss  schrieb:

Hallo zusammen und vielen Dank für die rege Betreiligung am Thema.

 

Ich habe gerade unseren Landschaftsverband erneut mit dem Sachverhalt konfrontiert und weitere konkrete Fragestellungen formuliert. Weiterhin haben wir auch auf § 3 Ausnahmetatbestände der AU Richtlinie verwiesen. Demnach dürfte ja die Quarantäneanordnung die AU außer Kraft setzen, oder?

 

Wir werden berichten wenn wir weitere Infos haben.

 

Ein Gerichtsprozess scheint eine Option zu sein die eher auf dem Papier besteht. Neben den hier schon angesprochenen zeitlichen Dimensionen stellt sich auch die Kostenfrage.

 

Lieben Gruß und Dank.

 

Daniel Voß 


1.

Stellt sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage ein Arzt eine sehr wahrscheinliche Gefährdung von Kunden des Arbeitgebers, von Kollegen und Vorgesetzten in der Zeit vermeiden sollte, in der das Gesundheitsamt noch nicht tätig wurde, wenn man davon ausginge, daß die von der Politik "dringend empfohlene" "freiwillige" Quarantäne den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen eines Angestellten zuwiderliefe (Arbeitsverweigerung)?

Etwa der § 2 Abs. 1 Satz 3 der AU-RL in ihrer zuletzt am 20. April 2020 geänderten Fassung, der da lautet:

 

"3 Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn auf Grund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen."

 

Geht man davon aus, daß es sich hier nicht ausschließlich um die Gesundheit des betroffenen Mitarbeiters, sondern auch um die weiterer Personen handeln solle, wäre damit das Ausstellen der AU-Bescheinigung durch die Schwerpunktpraxis in Ihrer Region gedeckt gewesen. Zumal das Gesundheitsamt für die bescheinigenden Ärzte vorhersehbar erst Tage später (nach dem Wochenende, an dem die Betroffenen zu arbeiten hatten) tätig werden würde.

 

2.

Mit einer Anordnung der Quarantäne durch das Gesundheitsamt entfiele die Wirksamkeit der AU-Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 AU-RL wenn überhaupt, dann wohl auch nur dann, "wenn andere als die in § 2 genannten Gründe Ursache für die Arbeitsverhinderung der oder des Versicherten sind." Das heißt, ein mit Fieber daniederliegender oder hospitalisierter Mitarbeiter müßte auch dann noch als arbeitsunfähig gelten, wenn das Gesundheitsamt eine Quarantäneanordnung erließ. Früher hätte man das für eine Binse gehalten.

 

3.

Steht es, wenn Sie Ihre Rechte durchsetzen wollen, nicht in Ihrem Belieben, ob Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ergreifen oder nicht (§ 77 SGG).

Gerichte sind schließlich dazu da, Streitfragen zu entscheiden, über die sich die Beteiligten nicht einigen können. Freilich sollten Sie dafür das sogenannte vorgerichtliche Verfahren (siehe §§ 78 ff. SGG) sowie die Rechtsmittelfristen beachten. Das Honorar für eine anwaltliche Beratung sollte Ihnen die Sache wert sein, auch wenn es vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht keinen Anwaltszwang gibt. Zu den Gerichtskosten siehe §§ 183 und 184 SGG.

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danielvoss
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Hallo zusammen,

 

zwischenzeitlich hat der LWL geantwortet. Kurz zusammengefasst:

 

Unsere Sichtweise ist nachvollziehbar etc. - Trotzdem bleibt es bei der Ansicht da der LWL als Behörde weiterhin davon ausgehen muss das die AU Bescheinigungen korrekt ausgestellt worden sind. Hier scheint es keinen Ermessensspielraum oder Sonderfallbehandlung zu geben.

 

Zu §3 AU-Richtlinien wurde, wie hier auch schon skizziert, auf §2 verwiesen so dass §3 nicht zur Anwendung kommen würde.

 

Letztlich wurde uns freigestellt die Erstattungsanträge zu stellen und auf die Gegebenheiten hin zu weisen so dass dann mit rechthelfsfähigem Bescheid entschieden wird.

 

 

Weiteres Vorgehen muss ich nun mit meiner Geschäftsführung abstimmen. Ich denke aber wir haben hier kaum eine Chance.

 

Meine Empfehlung an alle: Klärt Mitarbeiter und Leitungskräfte darüber auf, in welchen Fällen eine AU ausgestellt werden darf und wann nicht. Es ist zwar nicht unser Job das zu bewerten aber andernfalls wird man vor eine Mauer laufen.

 

Lieben Gruß

 

Daniel Voß

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dtx
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@danielvoss  schrieb:

Hallo zusammen,

 

...

Letztlich wurde uns freigestellt die Erstattungsanträge zu stellen und auf die Gegebenheiten hin zu weisen so dass dann mit rechthelfsfähigem Bescheid entschieden wird.

 

 

Weiteres Vorgehen muss ich nun mit meiner Geschäftsführung abstimmen. Ich denke aber wir haben hier kaum eine Chance.

 

Meine Empfehlung an alle: Klärt Mitarbeiter und Leitungskräfte darüber auf, in welchen Fällen eine AU ausgestellt werden darf und wann nicht. Es ist zwar nicht unser Job das zu bewerten aber andernfalls wird man vor eine Mauer laufen.

 


1.

Natürlich müssen Sie die vorgeschriebenen Anträge stellen, um zu Ihren Erstattungsbeträgen zu kommen. Das Verfahren dazu dürfte m. E. keine Erörterungen Ihres Rechtsstandpunktes voraussetzen. Insofern ist mir nicht ganz klar, was der diesbezügliche "Hinweis" des LWL sollte.

 

2.

Ist ein Verwaltungsakt (Bescheid) Voraussetzung dafür, daß Sie sich gegen eine Sie benachteiligende Rechtsauffassung der Behörde durchsetzen können.

Wenn da nichts Schriftliches kommt: s. § 88 SGG.

 

3.

War es zwar schön und informativ, daß Sie uns von Ihrem Fall in Kenntnis gesetzt haben. Aber wenn Sie jetzt das Kaninchen geben wollen, war es schade um die Zeit. Solange hier keiner dabei ist, der ein MVZ oder eine Klinik betreibt, muß auch niemand "Mitarbeiter und Leitungskader" über die Vorschriften aufklären, die Ärzte bei ihrer Arbeit zu beachten haben.

 

4.

Ein bißchen Off Topic, aber als Beispiel für behördliche Rechtsauffassungen, die auf selektivem Lesen von Gesetzestexten beruhen und hier niemanden mehr überraschen, ganz brauchbar:

 

SG Osnabrück, Urteil vom 16.05.2019, S 19 U 123/18

 

https://www.sozialgericht-osnabrueck.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/unfallversicherungsschutz-hier-arbeitsweg-zum-juwelier-auch-nach-verlassen-des-direkten-weges-aus-sicherheitsgruenden-177178.html

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danielvoss
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@dtx 

 

War es zwar schön und informativ, daß Sie uns von Ihrem Fall in Kenntnis gesetzt haben. Aber wenn Sie jetzt das Kaninchen geben wollen, war es schade um die Zeit. Solange hier keiner dabei ist, der ein MVZ oder eine Klinik betreibt, muß auch niemand "Mitarbeiter und Leitungskader" über die Vorschriften aufklären, die Ärzte bei ihrer Arbeit zu beachten haben.

 

Ich bin auch Ihnen dankbar für Ihre Hilfe. Zu Ihrem voran aufgeführtem Statement möchte ich dann aber doch mal etwas anmerken:

 

1. Wir haben niemanden vom Fall in Kenntnis gesetzt sondern eine Frage gestellt auf die wir keine Antwort wussten.

2. Diverse Forenteilnehmer haben explizit um eine Info gebeten, wie sich unser Fall entwickelt hat.

3. Wir geben nicht das Kaninchen, sondern wägen ab, welche Optionen sich uns bieten und wie wir weiter verfahren können. Auch wenn Sie für sich den Rechtsweg offenbar als Allheilmittel betrachten so haben wir auch andere Erfahrungen machen müssen. Es ist auch immer eine Frage von Kosten/Nutzen. Weiterhin haben wir den Sachverhalt auch unserem Verband geschildert der auch entsprechende Rechtskompetenzen besitzt. Ich werde natürlich darüber berichtet, wenn es von dieser Seite aus weitere Infos gibt. Sie müssen den Beitrag dann ja auch nicht lesen. Wäre schade um Ihre Zeit.

4. Es ist doch vollkommen egal ob nun Klinik, Pflegedienst, Lebensmittelhandel oder Industrieunternehmen. Jeder der derzeit arbeitet kann zum Verdachtsfall werden und entsprechend eine Krankmeldung erhalten bzw. in Quarantäne gestellt werden. Daher kann die Fragestellung für viele relevant werden.

 

Gruß Daniel Voß

meysa
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Ich finde den Hinweis, diese Problematik mit AU und Quarantäne weiterzugeben auch wichtig. Wenn ein Mitarbeiter, der in Quarantäne geschickt wird weiß, dass es mit AU (ohne tatsächliche Krankheit) und Quarantäne Probleme gibt, kann der das seinem Arzt ja sagen und die AU wird dann gar nicht erst ausgestellt. Außerdem ist es für die Arbeitgeber wichtig zu wissen, damit die Geduld haben, bis die Quarantäne-Anordnung kommt und nicht auf die Vorlage einer Au drängen. Sonst schafft man sich das Problem nur selbst.

 

Im Übrigen habe ich jetzt selbst einen solchen Fall.

Telefonat mit der Krankenkasse ergab deren Zustimmung: die AU ist nicht rechtens und hätte gar nicht ausgestellt werden dürfen. Problem: Das Land NRW beruft sich eben auf die existierende AU. Wie man die AU nun aus der Welt schaffen kann konnte mir die Krankenkasse auch nicht sagen, ist aber grundsätzlich gewillt sich damit auseinander zu setzen.

Ich werde ein Schreiben an die Krankenkasse mit den entsprechenden Informationen (wann kam die mündliche Quarantäne-Anordnung, wann die schriftliche etc.) fertig machen und um Klärung der Angelegenheit bitten.
Eine Kopie dieses Schreibens geht als Anlage zum Erstattungsantrag an den zuständigen Landschaftsverband (LWL). Und dann mal sehen was dabei heraus kommt.

Ob der Mandant im Zweifelsfall ein Gerichtsverfahren wollen würde, bezweifle ich. Soweit außergerichtlich möglich werden wir aber alles mögliche tun. Allein schon aus Prinzip...

 

Wenn es was Neues gibt, melde ich mich.

dtx
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@danielvoss 

 

Wenn Sie eines Tages vielleicht einmal die Erfahrung gemacht haben werden, daß der Rechtsweg zwar nicht das Allheilmittel ist, wie sie schreiben, aber auf bestimmten Rechtsgebieten, zu denen auch das Sozialrecht gehört, eine Erfolgsquote von etwa der Hälfte (zuzüglich der Fälle, in denen die Behörden bereits im vorgerichtlichen Verfahren nachgegeben haben) bot, dann sehen Sie das vielleicht anders.

 

Um diesen Erkenntnisprozeß etwas abzukürzen, habe ich Ihnen beispielhaft den vor dem SG Osnabrück verhandelten Fall verlinkt, bei dem ein durchschnittlich intelligent veranlagter Mensch vermutet haben würde, daß ein Unfall auf dem Weg zu einem vom Dienstvorgesetzten bestimmten Treffpunkt zum Arbeitsantritt ein Wegeunfall sein müsse. Und da ist diese BG nicht der einzige Leistungsträger, der bei so einer Binse noch in Berufung geht.

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dtx
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@meysa  schrieb:

Ich finde den Hinweis, diese Problematik mit AU und Quarantäne weiterzugeben auch wichtig. Wenn ein Mitarbeiter, der in Quarantäne geschickt wird weiß, dass es mit AU (ohne tatsächliche Krankheit) und Quarantäne Probleme gibt, kann der das seinem Arzt ja sagen und die AU wird dann gar nicht erst ausgestellt. Außerdem ist es für die Arbeitgeber wichtig zu wissen, damit die Geduld haben, bis die Quarantäne-Anordnung kommt und nicht auf die Vorlage einer Au drängen. Sonst schafft man sich das Problem nur selbst.

 

Im Übrigen habe ich jetzt selbst einen solchen Fall.

Telefonat mit der Krankenkasse ergab deren Zustimmung: die AU ist nicht rechtens und hätte gar nicht ausgestellt werden dürfen. Problem: Das Land NRW beruft sich eben auf die existierende AU. ...

 


Zu Unrecht, wie man in der RL nachlesen kann. Zumal im Falle von @danielvoss die die AU ausstellenden Ärzte und die sie in Empfang nehmenden Mitarbeiter dafür nicht einmal zu kritisieren sind. Wenn ein am Freitag nachmittag positiv getesteter Angestellter am Samstag und Sonntag regulär arbeiten müßte, das Gesundheitsamt aber nun schon seit 12 Uhr im Wochenende ist, bleibt dem Arzt nichts anderes als eine AU.

 

Aber das Kirchturmdenken, im Grunde unabweisbare Sozialansprüche in anderer Leistungsträger Budgettöpfe zu verschieben, hat ja inzwischen hierzulande lange Tradition. Und da ist es auch nicht mit einer anderen Wahlentscheidung getan, wenn von der Politik gut gemeinte und noch nicht einmal schlecht gemachte Vorschriften wieder einmal von den sie ausführenden Verwaltungen pervertiert werden.

 

Je nachdem, wie Ihr Mandant politisch vernetzt ist, wäre es auch denkbar, daß er sich in der gegenwärtigen Situation abseits des Rechtsweges Schützenhilfe organisieren könnte.

Ansonsten sind die Gerichte ja gerade dazu da, die Bürger vor einer allzu übergriffigen Verwaltung zu schützen. Und da muß man sich schon entscheiden: Entweder setzt man sich auf legalem Wege zur Wehr oder gibt der Verwaltung bei ihrer kreativen Auslegung der Vorschriften Recht.

 

 

sschu
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Ich habe von der AOK Nordwest folgende telefonische Auskunft bekommen: Es ist immer die aktuellste Bescheinigung (AU oder Quarantäne Anordnung) zu berücksichtigen. Heißt lt. AOK Nordwest: Wenn ein Mitarbeiter eine AU z.B. vom 10.10.2020 - 20.10.2020 eingereicht hat und dann vom 16.10.2020 - 20.10.2020 eine Quarantäne Anordnung bekommt, sollen wir vom 10.10.2020 - 15.10.2020 Krankengeld nach dem EFZG bezahlen und ab dem 16.10.2020 - 20.10.2020 eine Abrechnung nach dem IfsG vornehmen. Wenn der Mitarbeiter vom 10.10.2020 - 20.10.2020 eine Quarantäne Anordnung hat und vom 16.10.20.20 - 20.10.2020 eine AU einreicht, sollen wir vom 10.10.2020 - 15.10.2020 die Quarantäne abrechnen und ab dem 16.10.2020 die AU nach dem EFZG abrechnen. Es würde immer die aktuellste Bescheinigung zählen und die alte Bescheinigung würde damit wegfallen.

Was kann man mit dieser Aussage anfangen?

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sschu
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Nach Rücksprache mit dem LWL ist die Aussage der AOK Nordwest falsch!!!! Ich habe die AOK Nordwest mit dieser Aussage "konfrontiert". Die AOK Nordwest rief an und entschuldigte sich für die falschen Infos. Ich habe dann nur gefragt, auf wen wir uns denn verlassen sollen, wenn sogar die AOK nicht richtig informiert ist!?

 

Hier die Info vom LWL:

 

"Eine Entschädigung nach IfSG ist immer subsidiär anzusehen, wenn gesetzlich eine Entgeltfortzahlung vorgesehen ist. Das bedeutet, dass der Zeitraum einer Arbeitsunfähigkeit während einer verfügten Absonderung (Quarantäne) grundsätzlich nicht entschädigt wird (unabhängig Ihrer Aktualität).

Eine Entschädigung nach IfSG kann als soziale Sicherung des Arbeitnehmers verstanden werden, die die Entgeltfortzahlung regelt (§ 56 Absatz 1 und 2 IfSG). Der Arbeitgeber geht hier für die Behörde in Vorleistung und diese wird entsprechend erstattet (§ 56 Absatz 5 IfSG)."

 

Heißt, dass eine AU immer Vorrang vor einer Quarantäne hat. Sobald eine AU und eine Quarantäne vorliegen, muss die AU berücksichtigt werden und eine Zahlung nach dem EFZG erfolgen!!

SJ_2020
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Liebe Community,

 

habe diesbezüglich eine vermutlich überflüssige Frage - trotzdem werfe ich diese kurz in den Raum.

 

Habe eine AU, innerhalb der ersten 4 Wochen des Beschäftigungsverhältnisses erhalten. Somit würde Krankengeldbezug entstehen.

 

Zwei Tage später ging das positive Corona-Testergebnis ein.

 

Was hat Vorrang - die AU, trotz des eintretenden Krankengeldbezuges?

 

Vorab vielen Dank und viele Grüße.

Flitze0815
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@SJ_2020 

Meines Ermessens nach sollte das keinen Unterschied machen, ob sich der MA noch in der 4-Wochen-Frist nach Eintritt befindet. Die Frage richtet sich exklusiv nach der Arbeitsunfähigkeit.

live long and prosper
Grüße aus der Südheide
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letzte Antwort am 25.10.2022 12:11:06 von Flitze0815
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