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Coronavirus -Entschädigung nach § 56 IfSG

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letzte Antwort am 17.03.2020 09:44:03 von t-kress
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t_immenroth
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Hallo zusammen,

 

weiß jmd zufällig, wo es die entsprechenden Antragsformulare (insbesondere BaWü) gibt. Und gibt es hierzu eine Auswertung oder gar Schnittstelle zu oder von DATEV?

 

Ich habe nämlich keine große Lust für jeden betroffenen Mitarbeiter ein einzelnes Formular ausfüllen zu müssen.

 

Gruß

 

T. Immenroth

andrea3110
Einsteiger
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Nachricht 2 von 17
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Guten Tag, soweit ich es bisher nachvollziehen konnte, gibt es keine DATEV-Schnittstelle dazu, sofern es sich nicht um eine "normale" Entgeltfortzahlung handelt, weil die Person selbst erkrankt und nicht nur in Quarantäne ist. Zuständig für die Erstattungen sind die Landkreise, Bezirksregierungen bzw. deren Unterbehörden, im Rheinland ist dies z.B. der Landschaftsverband Rheinland. Auf dessen Homepage gibt es ein online ausfüllbares Formular. Ich fürchte, Sie müssen im Internet nach der zuständigen Stelle am Sitz des jeweiligen Arbeitgebers forschen und tatsächlich für jeden Arbeitnehmer ein eigenes Formular ausfüllen...

Viele Grüße und viel Erfolg.

Alexander_Herrmann
Meister
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Nachricht 3 von 17
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Hallo,

 

der Antrag ist in BaWü beim örtlich zuständigen Gesundheitsamt zu stellen. Dort gibt es - im Moment - allerdings weder online noch in Papier ein entsprechendes Formular.

Lt. Aussage der zuständigen Referentin für Seuchenschutz Sozialministerium BW wird derzeit an entsprechenden Materialien und Handlungsanweisungen für die nachgelagerten Behörden gearbeitet.

 

Der Antrag nach § 56 IfSG selbst ist jedoch formfrei; er kann daher auch in einem einfachen Schreiben geltend gemacht werden, sofern alle notwendigen Angaben enthalten sind.

 

Eine Antragstellung über die Lohnprogramme der DATEV gibt es mangels Schnittstelle auf Seiten der Behörden nach meinem Kenntnisstand nicht und wird es auch nicht geben. 

Viele Grüße,
RA/StB Alexander Herrmann, Ravensburg
t_immenroth
Beginner
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Vielen Dank für die ersten Antworten.

 

Eigentlich sollte es aber doch möglich sein von DATEV Seite eine einfache Entgeltbescheinigung zu bekommen, in der die benötigten Daten enthalten sind.

 

Ebenso wäre ein Ausfallschlüssel Quarantäne nicht schlecht, vielleicht gibt es diesen bereits, nur ich finde ihn nicht. Dann könnte man sicherlich einen DALY Abruf generieren.

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Alexander_Herrmann
Meister
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Nachricht 5 von 17
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Bevor man in die Diskussion über die abrechnungstechnische Behandlung des Anspruchs auf Verdienstausfall nach § 56 IfSG einsteigt, sollte man folgende rechtliche Besonderheiten beachten und ggf. anwaltlich prüfen lassen:

 

Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Verdienstausfall nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG), bei dem der Arbeitgeber als auszahlende Stelle einen Erstattungsanspruch gegen die zuständige Behört hat, liegen oftmals nicht vor.

 

Hintergrund: § 56 IfSG setzt stets einen Verdienstausfall des Arbeitnehmers voraus.

Dieser wiederum liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gegenüber seinem Arbeitgeber hat.

Solange sich der Arbeitnehmer nur in amtlich angeordneter Quarantäne (also nur Kontaktperson ohne eigene Krankheitssymptome) befindet, ist er i. d. R. nicht kranheitsbedingt arbeitsunfähig, hat also keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 3 EFZG.

Allerdings liegt dann ein Fall der vorübergehenden Verhinderung gem. § 616 BGB vor, aus dem der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, solange die Dauer der Verhinderung "verhältnismäßig nicht erheblich ist". Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wurde in den letzten Jahrzehnten der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung - je nach Einzelfall - zwischen wenigen Tagen bis zwei Wochen angesehen. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht (allerdings vor über 40 Jahren...) 1978 zum damaligen Vorgänger des IfSG entschieden, dass bei "amtlicher Aussonderung eines Ausscheiders", also genau den hier angesprochenen Fall, auch eine Dauer von sechs Wochen nicht erheblich sei.

 

Auf Grund des Alters dieser BAG-Entscheidung und den anderen, teils erheblich divergierenden Entscheidungen zu anderen Einzelfällen, liegt hier eine erhebliche Rechtsunsicherheit bezüglich der Frage zur Einordnung einer zweiwöchigen Quarantäne vor.

 

Folgt man dieser Auffassung, dann hätte der Arbeitnehmer bei einer zweiwöchigen behördlich angeordneten Quarantäne einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber nach § 616 und im Umkehrschluss keinen Anspruch auf Erstattung eines Verdienstausfalls nach § 56 IfSG. 

 

Rechtsfolge für den Arbeitgeber: 

Der Arbeitgeber hat dann auch keinen Erstattungsanspruch gegenüber der Behörde.

 

 

Wann also gibt es überhaupt Ansprüche nach § 56 IfSG?

 

Der Anspruch des Arbeitnehmers nach § 616 BGB kann im Arbeitsvertrag oder (falls vorhanden) Tarifvertrag ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Dann wiederum hat der Arbeitnehmer sofort einen Verdienstausfall, damit auch einen Entschädigungsanspruch und der Arbeitgeber kann sich diesen ersetzen lassen.

 

Für die Lohnabrechnung macht die zutreffende Beurteilung des Anspruchs einen erheblichen Unterschied:

  • Der Anspruch nach § 616 BGB ist auf regulären Arbeitslohn gerichtet, die Zahlung ist also sv-pflichtig und lst-pflichtig
  • Der Anspruch nach § 56 IfSG ist nicht auf ein Entgelt gerichtet, sondern auf Entschädigung. Diese ist steuerfrei, unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt und in der Sozialversicherung fallen nur Arbeitgeberbeiträge, nicht jedoch Arbeitnehmerbeiträge an.

 

Viele Grüße,
RA/StB Alexander Herrmann, Ravensburg
t_immenroth
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@Gelöschter Nutzer 

 

Danke für die ausführliche Antwort, leider ist in den Verträgen der § 616 BGB ausgeschlossen, sprich er kommt nicht zur Anwendung. Liegt an der Besonderheit des AG und die Befürchtung, dass es eine Quarantäne in den nächsten Woche geben wird ist hoch.

 

Die LSt und SV rechtliche Problematik ist mir zum Glück bekannt, nur leider habe ich keine allzu große Lust 300 Anträge stellen zu müssen, sollte der Worst-Case eintreffen.

 

Gruß

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Alexander_Herrmann
Meister
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Hallo Herr Immenroth,

 

aus Sicht Ihres Arbeitgebers ist das gut nachvollziehbar - so dürfte er auf den Zahlungen im Quarantäne-Zeitraum nicht sitzen bleiben.

 

Zu Ihrer Frage mit den Anträgen: Nach Rücksprache mit der Fachabteilung der DATEV kann ich Ihnen mitteilen, dass es derzeit KEINE Möglichkeit gibt, die Anträge automatisiert zu erstellen.

 

Ein weiterer Punkt, den ich für problematisch halte, ist die in Lohn und Gehalt vorhandene Lohnart 3600 (Verdienstausfall nach dem IfSG). Diese ist als SV-frei geschlüsselt - und das ist m. E. falsch, vgl. § 57 IfSG.

 

Diese Thematik ist bei der DATEV aktuell in Prüfung. Ich werde an dieser Stelle erneut berichten, wenn ich etwas genaueres weiß.

 

Ebenfalls in Prüfung ist die Frage, ob die DATEV kurzfristig eine Bescheinigungs-Vorlage für den Antrag auf Entschädigung nach § 56 IfSG "basteln" kann. 

Viele Grüße,
RA/StB Alexander Herrmann, Ravensburg
Alexander_Herrmann
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Noch ein klarstellender Hinweis: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können jederzeit die Anwendung des § 616 BGB durch einen kurzen Zusatz zum Arbeitsvertrag ausschließen oder wenigstens die dafür geltende Dauer regeln. Damit kann für den Quarantänefall vorgesorgt werden. Gerade in kleineren Betrieben dürfte dies im Interesse aller Beteiligten sein.

 

Achtung: Fast alle in diesem Beitrag aufgeworfenen Fragestellungen (mit Ausnahme der Fragen nach der abrechnungs-technischen Abwicklung) sind Rechtsberatung und reinen Steuerberaterkanzleien damit verwehrt. Sofern hierzu Beratungsbedarf beim Mandanten besteht, sollte unbedingt ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden. Bei unerlaubten Rechtsberatungen riskiert der Steuerberater hierfür den Verlust seines Versicherungsschutzes. 

Viele Grüße,
RA/StB Alexander Herrmann, Ravensburg
Alexander_Herrmann
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Wir formulieren gerade eine spezielle Klausel für die Einschränkung des § 616 BGB nur für die Fälle, in denen ein Anspruch nach § 56 IfSG besteht. Die übrigen Fälle möchte man ja nicht unbedingt ausschließen (Kind krank etc.), bzw. der Arbeitnehmer wird das nicht gerne unterschreiben.

 

Wenn jemand (als reiner Steuerberater ohne Rechtsanwalt in der Kanzlei) hierzu entsprechenden Beratungsbedarf bei Mandanten hat, darf er diese gerne im Einzelfall an uns verweisen. Unsere Kontaktdaten findet man unter www.herrmann-rv.de  

Viele Grüße,
RA/StB Alexander Herrmann, Ravensburg
t_immenroth
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Supi!

 

Wir werden das hier mal im Team klären, evt. komme ich dann nochmal auf Sie zu.

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wiewildewutz
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Hallo Herr Herrmann,

danke für das umfangreiche Teilen Ihrer anwaltlichen Einschätzung. Nachdem mich Ihre Ausführungen gestern „aufgeschreckt“ hatten bin ich selber doch etwas in die Recherche eingestiegen. Und es zeigte sich, dass die Die Diskussionen in dieser Hinsicht hin und hergehen. Manche leiten schlüssig ab, dass ein Anspruch auf LFZG gem. §616 BGB bestünde, mindestens für eine gewisse Zeit, so wie Sie. Manch andere argumentieren schlüssig, dass aufgrund der Pandemie-Situation kein „in seiner Person liegender Grund“, also subjektiver Grund vorläge und damit §616 nicht zur Anwendung käme. Andere meinen, grundsätzlich wäre es wohl §616 aber weil die Schließung länger als 5 oder 10 Tage angeordnet ist, würde von vornherein ausgeschlossen sein, dass „eine verhältnismässig unerhebliche Zeit“ von Beginn an vorläge und deshalb der 616er nicht greifen würde.

Schließlich meinen Berufskollegen von Ihnen, selbst, wenn man 616 noch ausschließen würde, wäre das seit gestern zu spät aufgrund der dynamischen Entwicklung und da die Schulschließungen schon eingetreten sind.

Kennen Sie diesen Aufsatz? 

https://www.juris.de/jportal/nav/juris_2015/aktuelles/magazin/coronavirus-arbeitsrecht.jsp

Haben Sie eine Meinung dazu, insbesondere zu den Ausführungen zum 616?

 

Mich würde interessieren, ob Sie noch weitere Erkenntnisse zu dem Thema erlangen konnten, die Ihre Sicht ergänzen, untermauern oder verändert haben.

Was würden Sie AG’s jetzt raten, wie Sie die Auszahlungen an den AN gestalten sollen bzw. welche Lohnart zu schlüsseln sei? Selbst wenn §56 greift, ist der AG nach Abs. 5 ja verpflichtet für bis zu sechs Wochen in Vorleistung zu gehen. Wie kann der AG dies am besten verarbeiten, um am Ende zumindest, Erstattungsansprüche an AN oder Behörde zu haben und nicht durch Zeitablauf eine Rückforderung von Lohnzahlungen unmöglich gemacht wurde?

 

Ich weiß, das ist hier kein Beratungsforum, aber Sie sind dankenswerterweise mit Ihrer Meinung sehr dezidiert an uns Kollegen hier herangetreten. Vlt. haben Sie auch noch etwas Muße, den Strang mit uns weiterzuspinnen. Vielen Dank!

 

Allen Kollegen viel Kraft für die nächsten Wochen und Monate
Lassen Sie uns unsere Teams mit hineinnehmen, die Dynamik der Kollegenhilfe wird uns sicher überraschen, wenn wir sie nur lassen... 

 

...in diesem Sinne

Andreas Plenter

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Steuermann22
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Ich möchte noch einen weiteren Punkt in die Runde werfen.

 

Wir haben momentan eher mit Fällen zu tun, in denen Arbeitnehmer urlaubsbedingt in Risikogebieten waren und dann nach der Rückkehr in den Betrieb vom Arbeitgeber heimgeschickt wurden (Fürsorgepflicht etc.). Die Arbeitnehmer sind aber nicht infiziert bzw. wahrscheinlich nicht infiziert.

 

Nach meinem Kenntnisstand greift hier das Infektionsschutzgesetz gar nicht, da keine amtlich angeordnete Quarantäne vorliegt. Der § 616 BGB greift wohl auch nicht, da der Arbeitnehmer ja seine Arbeitsleistung anbietet, diese aber vom Arbeitgeber nicht abgerufen wird. Somit muss der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung leisten und bekommt keine Erstattung.

 

Das nur zur Ergänzung 🙂

 

Falls meine Informationen falsch sind, bitte berichtigen 🙂

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Steuermann22
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Im Programmteil Bescheinigungen gibt es sicher eine einfache Verdienstbescheinigung....

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t-kress
Einsteiger
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Nachricht 14 von 17
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Wissen Sie auch, was mit den Ansprüchen der Unternehmer selbst ist?

Bei mir kommen jetzt die ersten Anfragen von Unternehmen rein, die wegen Corona schließen müssen (z.B. Fahrschule, die jetzt behördlich angeordnet schließen muss).

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Alexander_Herrmann
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Viele Grüße,
RA/StB Alexander Herrmann, Ravensburg
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felidae
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Vielen Dank, für den ausführlichen Beitrag.

Ist denn aber die Anwendung des §616 BGB nicht schon ausgeschlossen, da Voraussetzung der persönliche Verhinderungsgrund nicht erfüllt ist. Bei einer Arbeitsverhinderung wegen geschlossener Schulen/ Kitas usw. oder gar Schließung des Einzelhandels ist die Unmöglichkeit der Arbeitsleistungserbringung nicht in der Person des einzelnen Arbeitnehmers begründet, sondern die Allgemeinheit betroffen. Daher würde doch der §616 BGB nicht greifen?

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t-kress
Einsteiger
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Hallo Herr Herrmann,

Sie verweisen immer auf Kurzarbeitergeld.

Das bekommt der Unternehmer aber bekanntlich nicht.

Also: was macht der Selbständige, wenn sein Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung wegen Corona geschlossen wird und sein Gewinn wegbricht?

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letzte Antwort am 17.03.2020 09:44:03 von t-kress
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