Hallo @nadimb ,
an Progressivität mangelt es mir ebenso wenig, wie an einem leeren Teller am Fünfundzwanzigsten und kann behaupten, eine Mikrokanzlei zu führen.
Eine Mitarbeiterin wurde im Juli auf Ende September 2020 abgeworben (ein tragende FiBu-Säule), weil ein Gehaltsangebot bestand, dass ich nicht mitgehen konnte und wollte. Der Abwerbende war in Bezug zu ihr, ein familiär-und freundschaftlicher Betrieb.
"Du bekommst das doppelte Gehalt von dem was Du jetzt bekommst, egal was Du jetzt verdienst", war die Kernaussage des "Bewerbungsgespräches".
Konnte ihr beim besten Wille nicht böse sein; ganz im Gegenteil wünschte ich Ihr alles Gute. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis, nach wie vor . . .
Ich versuchte die Stelle neu zu besetzen und hatte es tatsächlich geschafft, drei Damen in die Kanzlei zu bekommen; alles Quereinsteiger. Zwei davon waren von vornherein "unbrauchbar".
Mein Angebot war in allen Belangen attraktiv, wie ich fand, aber m.E. sind größere Arbeitgeber in unserer Branche attraktiver, womit eine Dame letztlich blieb; Quereinstieg wie gesagt, jedoch motiviert und mit Zertifikaten FIBU IHK und DATEV UO.
Es stellte sich heraus, dass leider NULL Kenntnisse vorhanden waren und man sich die Frage stellt, wie dieses "gut" der IHK zustande kam. Ich musste sie leider, unter Weiterzahlung des Gehaltes, vorzeitig entlassen und freistellen, da die Kanzlei im Betrieb blockiert war und erste Schäden zu befürchten waren.
Jedenfalls blieb ich am Ball, aber bis heute ist niemand auch nur annähernd Adäquates für die Stelle auch nur in Sicht gekommen; insofern ist Ihre gemachte Aussage zur mangelnden "Progressivität", wenn Sie das gemeint haben, für mich so nicht zutreffend.
Ich werde mich auch nicht soweit "prostituieren" und irgendwelche Mondgehälter bezahlen und Mitarbeiter mit Benefits zuschaufeln . . . Wir haben dazu schon eine äußerst liberale Kanzleipolitik.
Jedenfalls muss man dann auch nach Möglichkeiten der Effizienzsteigerung in der Kanzlei schauen und ich habe in den letzten Jahren diesbezüglich Alles auf die Spitze getrieben.
Meine ehemalige, abgeworbene Mitarbeiterin arbeitet seit geraumer Zeit wieder als Minijobberin bei mir und bearbeitet im Prinzip genau die gleichen FIBU-Fälle wie Sie zuvor in einer 50%-TZ-Stelle bearbeitet hat.
Ironischerweise fragte Sie mich mal, ob ich Ihren neuen Arbeitgeber mit aufnehmen mag, da sein Steuerberater in Rente ging und man mit dem Neuen nicht so recht könne. Mit etwas Genugtuung ließ ich dann ausrichten, dass ich sehr interessiert an diesem Mandat gewesen wäre, hätte ich nicht unlängst eine wertvolle Mitarbeiterin verloren . . .
An der Stelle sei erwähnt, dass bei uns in der Region, Unternehmen direkt in ihren Anzeigen Steuerfachkräfte anwerben oder direkt in Kanzleien anrufen; der "war for talents" ist in vollem Gange !
Trotz aller Bemühungen liegen die laufenden Auftragskapazitäten deutlich über unserer Personaldecke, was die Aufnahme neuer Mandate schlichtweg ausschließt; nicht mal die erwähnte Rosinenpickerei ist drin und ich habe sicherlich 15 Anfragen in den letzten Monaten abgelehnt, ohne zu fragen, was hinter dem Mandat stecken könnte.
Ich hatte mit jedem Einzelnen ein Gespräch geführt und unisono wurde mir mitgeteilt, dass man quasi bei den Steuerberatern "Klinken-putzen-gehen" muss und nur Absagen erhält.
Insofern ist die äußerst angespannte Personalsituation nicht wegzureden, weil sie schlichtweg existent ist; ob große oder kleine Kanzlei.
Im Übrigen sehe ich persönlich den Steuerberater immer noch als den unabhängigen Freiberufler und bin auf jeden Kollegen stolz, der nach dem Examen nicht eine "Steuerfabrik" geht, sondern sich "selbst" als Freiberufler selbständig macht; so wie das Berufsbild im Prinzip gedacht war. Hierfür bin ich ein Verfechter, was auch daran liegen kann, dass ich ein miserabler Teamplayer bin 😉
Die Zeiten hierfür sind ideal und wer als Einzelkämpfer Lohn/Baulohn ausgliedert, sich einigermaßen technisch geschickt aufstellt, kann bereits ein sehr gutes Einkommen erzielen; vielleicht noch jemand in TZ für FIBU und es passt.
Nichtsdestotrotz stehen die DATEV-Kosten m.E. bei kleinen Kanzleien in einem Missverhältnis zu Groß-Lizenznehmern.
Diesen Umstand hatte ich mit meinen Betreuern und Betreuerinnen immer mal wieder in den vergangenen Jahren den Fokus gerückt und es wurden immer mal wieder Äußerungen hierzu gemacht, dass "sich da was tut."
So richtig "getutet" hat es m.E. noch nicht.
Eines sei allerdings auch ergänzend erwähnt: Man sollte schon immer einen genauen Blick auf die Rechnung, in inaktive Mandate und Speicherleichen etc. richten, denn dort ist oftmals noch hohes Sparpotential auffindbar; irgendwie wurde aber mein "Auskehren 2022" wieder von der Preiserhöhung 2023 kassiert. 🙂
... und selbstverständlich wählt man die Mandanten aus, die "am besten passen", wenn man die Wahl hat.
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