Hallo Community,
um das Thema "Grundsteuerreform" bzw. um deren Verfassungsmäßigkeit, z.B. beim Bundesmodell, ist es in den letzten Wochen ruhig geworden
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz kritisierte in zwei kürzlich ergangenen Entscheidungen (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23) vor allem die Grundstücksbewertung auf Grundlage der Bodenrichtwerte.
Vielleicht kann man sich hier gegenseitig auf dem Laufenden halten.
Das "Bundesmodell" betrifft immerhin 11 der 16 Bundesländer
Einen Volltext habe ich noch nicht gefunden, aber eine kurze Zusammenfassung auf folgendem Link
https://www.gesellschaftsrechtskanzlei.com/grundsteuer-und-bewertungsrecht/
Auch zu diesen Thema:
Steuerberater Lukas Hendricks:
Erstes Finanzgericht bestätigt Zweifel an Verfassungsmäßigkeit an der neuen Grundsteuer
Die Länderfinanzminister verlangen eine Gesetzesänderung dergestalt, daß zukünftig bei der Grundsteuer B zwischen Wohn- und Gewerbebauten unterschieden werden könne, um eine Reaktion auf die deutlich höheren Preissteigerungen in ersterem Segment möglich zu machen:
https://www.gmx.net/magazine/politik/laendern-loesung-ungleichgewicht-grundsteuer-39432902
Für Baden-Württemberg vom Finanzgericht BW:
Startseite - Finanzgericht BW (justiz-bw.de)
Bund der Steuerzahler e.V.:
Bundesmodell ist bereits beim BFH:
Hallo @vogtsburger ,
nicht wirklich neu - und nur für Baden-Württemberg: https://steuerzahler.de/baden-wueerttemberg/grundsteuer/?L=0
lt Stuttgarter Zeitung vom 3.3.24 soll demnächst - was immer das konkret bedeutet - verhandelt werden.
Die Bodenrichtwerte als ungenau zu bezeichnen, ist in etlichen Fällen eine Beschönigung der Sachlage. Deren Rechtsgrundlage hätte für die Verwendung als Besteuerungsbestandteil auf den Kopf gestellt werden müssen, aber die dafür nötige Revolution in den Katasterämtern ist schlicht nicht umsetzbar gewesen.
Da finden sich Werte von 70 Euro und mehr auch für felsige Hanglagen, die man im Alter nicht mehr begehen kann. Und da hat man aus jüngeren Verkäufen anscheinend auch mal die puren Kaufpreise einfließen lassen, ohne die Gebäudebestandteile rauszurechnen. Was solls, das dürfe ja nicht hinterfragt werden. Dann besteuert die Finanzverwaltung das Betongold eben doppelt.
Inzwischen ist bei der felsigen Hanglage in Sachsen der Bescheid da. Bei der Veranlagung ist da zwar noch mit einigermaßen Augenmaß vorgegangen worden. Von den 70 Euro des Katasteramtes blieben da schwierig disputable 50 Cent, so daß Rechtsmittel nicht mehr sonderlich erfolgversprechend erschienen.
Allerdings hat das Ergebnis auf Grund der schieren Größe des Grundstücks und des Gefahrenpotentials für die darunter angrenzende Straße immer noch nichts mit einem reellen Marktwert zu tun. Wer das übernähme, geschweige denn dafür Geld zahlen würde, müßte mit dem Klammersack gepudert sein ...
Und so vermute ich, daß auch der Garten der Kläger in Stuttgart wohl nicht so nutzbar wäre (und von einem Käufer vergütet würde), wie der Teil des Grundstückes, auf dem das Haus steht. Ist der noch zugänglich, würde er abgeteilt, mit Baumaschinen befahrbar, könnten dahin alle Ver- und Entsorgungsleitungen verlegt werden?
Das Land BW entfernt sich anscheinend wiederum von der Prämisse der am Marktpreis orientierten Bewertung, nur in die entgegengesetzte Richtung. Ob sich das mit den Vorgaben des BVerfG deckt, ist die Frage ...
Die Finanzverwaltung hat nun mit ihren Beschwerden gegen die im Eingangsbeitrag von @vogtsburger angeführten Urteile Schliff gebacken.
AdV einer Grundsteuerwertfeststellung im sogenannten Bundesmodell
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410095/
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410096/
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 23. November 2023, Az: 4 V 1295/23 und
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 23. November 2023, Az: 4 V 1429/23
"Die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) sind bei der im Aussetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann. Hierfür ist regelmäßig der Nachweis erforderlich, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit den festgestellten Grundsteuerwert derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist."
Das AdV-Verfahren sei unabhängig davon, ob die Antragsgründe (z. B. überhöhte Bodenrichtwerte, Sanitäreinrichtung im denkmalgeschützten Urzustand) in einem Hauptsacheverfahren durchgreifen würden (Rz. 16).
Und (Rz. 31 bis 33): "... Das Übermaßverbot kann insbesondere dann verletzt sein, wenn sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Nach der bisherigen Senatsrechtsprechung setzt dies regelmäßig voraus, dass der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt ..."
"Der Senat hat zu verschiedenen typisierenden Bewertungsnormen entschieden, dass bei Ausschluss von Billigkeitsmaßnahmen in verfassungskonformer Auslegung der betreffenden Vorschriften der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot zuzulassen ist, wenn der Gesetzgeber einen solchen Nachweis nicht ausdrücklich geregelt hat ..."
"Besteht die Möglichkeit einer solchen verfassungskonformen Auslegung, sind die pauschalierenden und typisierenden Bewertungsvorschriften nicht verfassungswidrig. Vielmehr ist dem Einwand möglicher verfassungswidriger Überbewertungen durch Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich der Boden entzogen ..."
Es stellt sich aber auch die Frage, ob die Kosten des erforderlichen Nachweises in einem vernünftigen Verhältnis zu den erzielbaren Steuerminderungen stünden. Sachverständige sollen für die von den Gerichten im Zuge von Zwangsversteigerungen angeforderten Wertgutachten früher so um die 2.000 Euro aufgerufen haben. Es bietet sich also wieder Streit um die Anforderungen an die Nachweisführung an.
Hoffentlich entscheidet das BVerfG diesmal zeitnah, für alle Modelle der Grundsteuerreform...
Schade, dass bei solch einem Thema trotzdem alle Gerichts durchlaufen werden müssen = unnötig Kosten verursacht...
Das Bundesverfassungsgericht hätte sich schon längst einschalten und eine Stellungnahme dazu heraus geben können...
Grundsteuer betrifft nun mal alle 83 Millionen in Deutschland, egal ob Eigentümer, Vermieter oder Mieter (Nebenkostenabrechnung...)
@xyzmic schrieb:Hoffentlich entscheidet das BVerfG diesmal zeitnah, für alle Modelle der Grundsteuerreform...
Weshalb? Den Beschluß des BFH nicht gelesen (ich hatte die Rz. 33 extra hier zitiert, um Dir die Mühe zu ersparen).
@xyzmic schrieb:...
Schade, dass bei solch einem Thema trotzdem alle Gerichts durchlaufen werden müssen = unnötig Kosten verursacht...
Ist halt so.
@xyzmic schrieb:...
Das Bundesverfassungsgericht hätte sich schon längst einschalten und eine Stellungnahme dazu heraus geben können...
Gerichte "schalten" sich nicht "ein", die werden eingeschaltet - durch staatliche (Staatsanwaltschaften) oder zivile Kläger. Diese Arbeitsteilung bietet schon Beschäftigung genug für die Richter. So viel, daß diesen Job für absolut und auch relativ vergleichsweise wenig Kohle kaum noch einer machen will. Schon gar nicht jemand mit Prädikatsexamen, dem in Großkanzleien häufig mehr ausgeschüttet und von dem da auch nicht verlangt wird, die Akten daheim zu bearbeiten, weil an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen niemand das Gerichtsgebäude aufschließt.
Zum anderen: Was sollte das BVerfG verlautbaren, wenn, wie der BFH schreibt, eine Norm verfassungskonform angewendet werden kann? Die Beamten dazu anhalten, das auch zu tun? Dafür haben die Dienstvorgesetzte. Nötigenfalls müssen Berater und Steuerpflichtige die Rechtsmittel nutzen, die es gibt. Dafür hat ja nun der BFH Formulierungsvorschläge gegeben.
Immobilien wie diese
oder diese
oder diese
https://www.kleinanzeigen.de/s-anzeige/haus-zum-fertigstellen-von-privat/2785987179-208-13527
wären wohl die klassischen Beispiele dafür, mit dem vom Finanzamt ermittelten Marktwert 40% oder mehr über dem zu liegen, was der Eigentümer tatsächlich erlösen kann.
(ich hab gerade mal nicht nur Beispiele aus dem Osten genommen)
... also auch "Im Westen nichts Neues" ...