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Haftungsfalle - Fristkontrolle, EDV und der BGH werden wohl keine Freunde

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letzte Antwort am 25.04.2019 11:23:26 von agmü
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Michael-Renz
Experte
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Hallo Community,

am 28.2.2019 hat der Bundesgerichtshof mal wieder zur Haftung bei Fristversäumnis entschieden.

Hier die Fundstelle im Volltext: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=3d5b2a11fc69a1fef56be8bce1a23fd2&nr=93846&pos=0&anz=1

Zugrunde lag ein Fall der Fristversäumnis, weil ein EDV-gestützter Fristkalender nicht korrekt bedient wurde. Das nimmt der BGH zum Anlass die papiergebundene Fristkontrolle und den Zwangsausdruck von EDV-gestützt geführten Fristenkalender in jedem Einzelvorgang (jede Frist) zu fordern.

Mal wieder wird vom BGH die Haftung der Beraterschaft überspannt und eine moderne, digitalgeführte Kanzlei mit Unsinnsaufgaben belastet. So wird die #Digitalisierung jedenfalls nicht befördert. Trotzdem ist beruhigend, dass die DATEV-Software "Post, Fristen und Bescheide" auf solchen Unsinn schon vorbereitet ist. Ein einfacher Klick in den Einstellungen des Programms bringt den geforderten Ausdruck bei jeder Fristeintragung (und verbraucht Papier und Zeitressourcen).

Unbenannt.png

Beste Grüße
RA Michael Renz, Stuttgart
paralegal
Einsteiger
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Hallo,

vielen lieben Dank, dass du diese Information mit uns teilst.

Den Zwangsausdruck bei Fristeintragung habe ich soeben direkt eingestellt.

Ist unter mit "papiergebundene Fristkontrolle" gemeint, dass die Fristen parallel im Fristenbuch notiert/überwacht werden sollen oder dass tatsächlich zusätzlich zur Eintragung in die EDV auch ein Fristenzettel per Hand ausgefüllt werden soll?

Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße,

Julia

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andreashofmeister
Allwissender
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Kann man denn nicht auch einen "PDF-Ausdruck" erzeugen?

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Michael-Renz
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Hallo Herr Hofmeister,

Zitat aus dem Urteil

“Das Fehlerrisiko sei bei der elektro- nischen Eingabe von Datumsangaben erheblich höher als bei der handschriftli- chen Übertragung eines Datums. Es sei daher auch bei einem elektronischen Fristenkalender angezeigt, die vorherige Eingabe über einen entsprechenden Ausdruck zu kontrollieren. Erst hierdurch werde gewährleistet, dass sich menschliche Fehler durch eine weitere von einem Mitarbeiter vorgenommene Kontrolle korrigieren ließen. Vor diesem Hintergrund sei es auch unter Berück- sichtigung der weiter fortschreitenden Digitalisierung als Organisationsver- schulden zu bewerten, dass der Mitarbeiterin G. die sensible und fehler- trächtige Aufgabe ohne Anweisung zur Fertigung eines Kontrollausdrucks übertragen worden sei. Die gewählte Handhabung, sich ohne Kontrollausdruck aus- schließlich auf die Software R. und eine reine Bildschirmkontrolle zu ver- lassen, stelle keine ausreichende Fehlerkontrolle dar.

...

Sieht die Arbeitsanweisung des Rechtsanwalts dagegen vor, bei Ein- tragung von Fristen in einen elektronischen Fristenkalender stets einen Kon- trollausdruck zu fertigen, besteht eine erheblich geringere Gefahr einer unvoll- ständigen und nicht kontrollierten Fristeingabe. Das Fehlen eines erforderlichen Kontrollausdrucks springt unmittelbar ins Auge, insbesondere wenn der Vor- gang im Rahmen einer Arbeitsroutine von erfahrenem Büropersonal durchge- führt wird. Es ist ein Warnzeichen, das der mit der Fristeintragung befassten Person deutlich signalisiert, dass die Fristeingabe noch nicht kontrolliert und möglicherweise sogar noch nicht abgeschlossen wurde. Nur der durch den Ausdruck herbeigeführte - in vorliegendem Zusammenhang sinnvolle - "Medi- enbruch" zwischen Eingabe am Bildschirm und Kontrolle mittels eines Aus- drucks gewährleistet mithin ein hohes Maß an Sicherheit in Bezug auf eine zu- treffende Fristeingabe und -speicherung.“

Nach diesem Wortlaut habe ich erheblichen Zweifel, dass ein pdf den Anforderungen genügt. Das gilt umso mehr, als der Workflow beim pdf (Aufbringen der Kontollvermerke) noch komplexer wird. Es wird zwar immer nur von „Kontrollausdruck“ gesprochen. Aber das Drucken eines Papiers (oder Erzeugen einer pdf) allein deckt ja das geforderte Kontrollieren und schon gar nicht den Nachweis, dass auch kontrolliert wurde nicht ab. Wenn pdf, dann müsste sie bearbeitbar sein und wäre dann ja auch bloß eine (zusätzliche) Bildschirmkontrolle - die dem BGH ja offensichtlich nicht ausreicht. Es wird ausdrücklich der Medienbruch - als Sicherheitsmerkmal- gefordert!!!!!???

Die Gerichte sind leider Lichtjahre von moderner und effizienter Arbeitsweise entfernt und dokumentieren mit solchen Entscheidungen ihre Lebensferne. Letztlich wird ein Grund gesucht, warum ein Berater bei Fristversäumnis immer haftet. Um das zu erreichen, ist den Gerichten kein Argument zu blöd. Zwischenzeitlich sind die Entscheidungen dazu so vielfältig, und praktisch nie zugunsten des Beraters ausgegangen - konsequent wäre es, klar zu machen, dass defakto eine Verschuldenszurechnung nicht beim Berater endet, sondern auch ein Verschulden des Büropersonals zugerechnet wird - dann muss man nicht auf solch abenteuerliche Begründungen ausweichen.

Beste Grüße
RA Michael Renz, Stuttgart
Michael-Renz
Experte
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Hallo Frau Auras,

ich vorigen Post hab ich den Text des Urteils zitiert. Im Ergebnis wird ein „Fristenzettel“ gefordert, der den Ausdruck der elektronisch geführten Frist enthält und zur Kontrolle, ob die Frist korrekt elektronisch erfasst wurde, dient.

Im konkreten Fall war ja neben dem elektronischen (fehlerhaft) geführten Fristkalender die Frist zusätzlich in die Papier-Akte eingetragen. Das hat dem BGH als zusätzliche „Sicherung“ auch nicht ausgereicht!

Wenn neben dem EDV-Kalender ein Papier-Fristenbuch geführt wird, wette ich jetzt schon, dass der BGH bei Fristversäumnis in diesem Fall das Organisationsverschulden darin sieht, dass zwei unabhängig geführte Systeme die Gefahr bergen, dass Unklarheit entsteht, welches der beiden das führende und maßgebliche System ist.

Beste Grüße
RA Michael Renz, Stuttgart
Gelöschter Nutzer
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Hallo Community,

Gilt das ganze auch für Steuerberater oder kann man sich drauf verlassen, dass der BFH im Rahmen der Digitalisierung des gesamten Steuererhebungsprozesses nicht so rückständig ist wie der BGH?

Ich danke für eure Einschätzung

Freundliche Grüße

Alexander

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agmü
Meister
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Bis eine eindeutige Stellungnahme der Finanzgerichte, insbesondere des BFH vorliegt, würde ich mich allein wegen der Haftung unter dem Aspekt des sichersten Weges, dazu entscheiden, die Entscheidung des BGH auch für den steuerlichen Bereich als Maßstab zu nehmen.

mfg

Andreas G. Müller

Andreas G. Müller - Rechtsanwalt -
frei nach dem Motto: "Gestern standen wir am Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter."
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letzte Antwort am 25.04.2019 11:23:26 von agmü
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