Hallo,
meine Berufskollegen und ich sind sich bei der Frage uneinig, ob die handelsrechtliche Rückstellung für Aufbewahrungspflichten auch gebildet werden muss oder sollte, wenn jährlich nur 1x Ordner für sämtliche Buchführungsbelegen und Geschäftsunterlagen anfällt...
In meinem Fall wurde die GmbH im Januar 2019 gegründet. Der Umsatz beträgt rund 500.000 EUR und der Gewinn rund 50.000 EUR. Die Büroräume (286 qm) befinden sich in gemieteten Räumen. Die Miete inkl. Nebenkosten und Reinigungskosten beträgt jährlich 76.800 EUR. Selbst wenn ich davon ausgehe, dass der 1x Ordner für das Jahr 2019 in einem Büroschrank aufbewahrt wird und ich von 1 qm ausgehe, ergibt sich eine Rückstellung per 31.12.2019 von rund 2.685 EUR (76.800 EUR x 1/286 qm x 10 Jahre); 2020 dann 9,5 usw.
Ich finde, dass die Aufbewahrung von 1x Ordner für 10 Jahre keine nicht ansatzweise 2.685 EUR kosten wird und ich von einem geringeren Wert ausgehen sollte. Oder ist der 1 qm das Mindestmaß?
Wie sehen sie das?
Wie Sie! Ich denke nicht, dass die Umrechnung 1qm für die Fläche des Aktenschranks auch nur annähernd angemessen ist. Die Quadratmeterberechnung bezieht sich m.E. nur auf einen ganzen Raum / ein Aktenlager. Ein Karton mit Ordnern einzulagern, kostet ausgelagert (ab) ca. 7,50€ p.a. ohne Zusatzleistungen.
Ergo auch abgezinst und mit Kostensteigerung kleiner als 410€, auf einer Rückstellung kann wohl verzichtet werden.
An Aufwand für Datenspeicherungen muss aber ggf. auch noch gedacht werden....
Ich kenne diese Diskussionen aus meinem früheren Büro.
Um es vorweg zu nehmen: ich bilde in solchen Fällen keine Aufbewahrungsrückstellung.
Zunächst: die Rechnung mit 1qm für einen Ordner erscheint mir schon fraglich. Der maximale Platzbedarf wird nach ca. 12 Jahren insgesamt 12 Ordner umfassen. Vier Ordner nebeneinander belegen 35 cm x 35 cm = ca. 0,12 qm --> wenn ich drei Schichten übereinander stapele sind also 0,12 qm Flächenplatzbedarf für 12 Jahrgänge (12 Jahre wegen Anlaufhemmung) notwendig.
Im Erstjahr käme man also auf 1/12 von 0,12 qm x 78.000 / 286 qm x 12 Jahre = ca. 33 Euro (oder welche Formel auch immer). Und nach 12 Jahren sind es dann maximal 500 Euro.
Auch formal ist die Rückstellung nicht notwendig:
Die Erstellung des JA unterlegt u.a. den Prinzipien der Wesentlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Eine Rückstellung für 100 Euro ist weder wesentlich noch wirtschaftlich.
Dem hat sich übrigens der BFH vor einiger Zeit in einem Fall eines aRAP angeschlossen: unwesentliche Abgrenzungen können unterbleiben. "Unwesentlich" ist lt. BFH alles, was im Einzelfall unter der GWG-Grenze liegt.
Das IDW hat hierfür den Begriff "wesentliche Falschaussage" entwickelt. Danach ist ein Jahresabschluss falsch, wenn der Fehler (hier die unterlassene Rückstellung) den Leser des Abschlusses zu einer anderen Entscheidung veranlassen würde. In der Praxis ist das zwar recht schwammig (typisch IDW). Aber hier ist die Frage wohl recht klar.
Abschließend noch: Ich kenne den Abschluss nicht: doch oft sind in den Abschlüssen Schätzgrößen (und damit potentielle Fehler) in ganz anderen Größenordnungen enthalten. Ich denke da nur an Vorräte, Prozessrisiken, Rückbauverpflichtungen und Wertberichtigungen. Auch das spricht dafür Minibeträge zu lassen.
viele Grüße
Wer vermietet Ihnen 1 qm auf 10 Jahre lang?