Liebe Fachleute, ich bin ja juristischer Laie, aber mit einem ausgeprägten Gespür für Ungerechtigkeiten ausgestattet. Ich würde hier mal folgende Punkte, die mir bei der Erstellung von Grundsteuererklärungen aufgestoßen sind und die ich als Begründung für Einsprüche gegen die Bescheide heranziehen werde, teilen wollen. Vielleicht ja für Euch diskussionswürdig, vielleicht auch nicht. 🙂 Ertragswertverfahren in Brandenburg: Ich halte es für unzulässig, den Ertragswert einer Immobilie ausnahmslos fiktiv zu ermitteln. Für vermietete Immobilien ist ja der Mietzins bekannt und müsste entsprechend als Grundlage für den Ertragswert dienen. Wenn nicht sogar unter Berücksichtigung von Ausgaben für Verwaltung und Instandhaltung etc. Es widerspricht jeglichen Steuergrundsätzen, für tatsächliche Einnahmen einen fiktiven Wert anzusetzen. So absurd es wäre, für eine Berufsgruppe ein Durchschnittseinkommen zu ermitteln (z.B.: Programmierer 120.000 Euro Jahreseinkommen) und für jeden in dieser Berufsgruppe Tätigen – unabhängig von seinem tatsächlichen Verdienst – die Lohn- oder Einkommensteuer aufgrund ebendiesen Durchschnitts festzulegen, so absurd ist es, bei vermieteten Immobilien eben so ein Verfahren anzuwenden. Bei Mietverhältnissen kommt noch hinzu, dass es gesetzlich tiefgreifende Beschränkungen zur Anpassung des Mietzinses gibt. Für die Sonderformen der Staffel- und Indexmietverträge ist ein Anheben der Miete aufgrund eines gestiegenen Mietpreisniveaus komplett unzulässig, bei normalen Mietverträgen gibt es Kappungsgrenzen. Kündigungen sind aufgrund einer gewünschten Neuvermietung zum höheren Mietzins sowieso unzulässig. Von würde auch eine etwaige Argumentation, dass der Ertrag im Einzelfall ja dem berechneten fiktiven Ertragswert angepasst werden könnte, jeglicher Realität entbehren. Wohnfläche in Hessen: Ich halte es für nicht verfassungskonform, dass in Hessen das Gebäudealter für die Ermittlung der Grundsteuer nicht herangezogen wird. Dadurch ist die Grundsteuer für einen nagelneuen Bungalow mit 100 qm Wohnfläche auf identischem Grundstück genauso hoch wir für ein vor dem ersten Weltkrieg gebautes Haus mit ebenso 100 qm Wohnfläche. Das Nichtberücksichtigen des Gebäudealters steht auch im Widerspruch zu der sonstigen steuerlichen Behandlung von Gebäuden, die bei Vermietung ja in der Regel über 50 Jahre abgeschrieben werden können, womit dem Gesetzgeber durchaus bewusst ist, dass das Baujahr einen entscheidenden Einfluss auf den Wert eines Gebäudes hat. In der sonstigen steuerrechtlichen Betrachtung (z.B. Kaufpreisaufteilung) wird sogar regelmäßig der Sanierungszustand eines Gebäudes herangezogen, um ein fiktives Baujahr und damit den tatsächlichen Gebäudewert näherungsweise zu ermitteln. Bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte durch die Gutachterausschüsse werden sogar die Ausstattungsmerkmale eines Hauses (einfach, gehoben etc.) berücksichtigt, um den Kaufpreis zwischen Immobilie und Grundstück aufzuteilen. Bodenrichtwerte: Die pauschale Heranziehung von Bodenrichtwerten von Grundstücken zum Zwecke der Ermittlung der Grundsteuer führt zu Steuerungerechtigkeit. So werden die Bodenrichtwerte üblicherweise pauschal auf das komplette Grundstück angewendet und damit jeder Quadratmeter so bewertet, als ob er Bauland sei. Es gibt jedoch baurechtliche Einschränkungen (wie Abstandsregeln) sowie von der Gemeinde im jeweiligen Bebauungsplan festgelegte zusätzliche Restriktionen (Grundflächenzahl GRZ, Baufenster etc.), die dazu führen, dass mitnichten jeder Quadratmeter eines Grundstückes bebaubar ist. Insbesondere die Abweichungen bei GRZ und Baufenstern können dazu führen, dass gleich große Grundstücke bei weitem nicht die selben Nutzungsmöglichkeiten aufweisen, bei gleichem Bodenrichtwert jedoch identisch bewertet werden. Das widerspricht der verfassungsrechtlich geforderten Steuergerechtigkeit. Abweichende Länderverfahren: Es ist meines Erachtens nicht mit dem von Bundesverfassungsgericht für die Novelle der Grundsteuer formulierten Ziel der Herstellung einer Steuergerechtigkeit vereinbar, dass die Grundsteuer in den Bundesländern teils unterschiedlich ermittelt wird. Das heißt im Einzelfall nämlich, dass zwei Nachbarn, die eine Ländergrenze trennt, unterschiedlich veranlagt werden, selbst wenn sie identische Häuser auf identischen Grundstücken bei identischen Grundstückswerten als ihr Eigentum nennen. Das erklärte Ziel des Bundesverfassungsgerichts war ja mitnichten, dass lediglich innerhalb der Bundesländer Gleichbehandlung, innerhalb der Republik aber komplette Ungleichbehandlung hergestellt wird, sondern dass eine generelle Steuergerechtigkeit hergestellt wird. Viele Grüße, der Laienwolf
... Mehr anzeigen