DATEV im marktwirtschaftlichen Grenzland ( Gerhard Wohland) - Ein persönlicher Rückblick Hallo zusammen, nachdem ich die Session moderieren durfte, hier noch ein persönlicher Rückblick auf wirklich spannende drei Tage. "DATEV ist kein Unternehmen" , "Was bei DATEV aktuell los ist, ist die kreative Umsetzung von Langeweile" Diese – und viele ähnliche – provokanten Sätze, stammen aus den drei Sessions von Gerhard Wohland auf dem Digicamp und haben für reichlich Diskussion gesorgt. Zum einen für einen sehr "energetischen" Austausch innerhalb der Sessions selbst und zum anderen auch im Nachgang auf dem inzwischen digitalen Flur der DATEV. Als ich Gerhard in der Session angekündigt habe, habe ich bereits vorgewarnt, dass es nun reichlich Provokationen geben wird. Und wie man sehen konnte, wurden wir nicht enttäuscht. Am Freitagnachmittag war ich dann voll euphorisch: "Diese Erkenntnis muss jeder haben" "Krass, wie er die DATEV dekonstruiert hat" Ich hatte aber auch Bedenken: "Wie verstehen das die anderen Kollegen und auch unsere Mitglieder?" "Ist Systemtheorie, bzw. sind die Denkwerkzeuge der Höchstleister nun der nächste Hype?" Ich arbeite immer noch an meinem persönlichen Verständnis der verschieden Aussagen und reflektiere meine Gedanken vom Freitag. Hier mal mein aktueller Stand des Irrtums (als Systemtheorie-Kreisklasse-Spieler ;-)) "DATEV ist kein Unternehmen" Was im ersten Moment wie ein Schlag ins Gesicht jeden DATEVianers (also auch meins) und BWLers wirkt, ist aus systemtheoretischer Perspektive plausibel. Zwischen Unternehmen und Kunden herrscht doppelte Kontingenz (Markt). Das heißt, ein Unternehmen kann sich frei entscheiden, an wen es verkauft und an wen nicht. Gleichzeitig kann der Kunde die Dienstleistung, bzw. das Produkt beim dem einen oder dem anderen Unternehmen erwerben. Dies ist exakt so bei der DATEV nicht gegeben, als Steuerberater muss ich Mitglied sein. Als Mandant brauche ich die Zustimmung meines StB der DATEV Mitglied ist. Rein sachlich ist somit – aus systemtheoretischer Perspektive – die Verbindung von DATEV zum Mitglied keine reine Verbindung zwischen Unternehmen und Kunde. Deutlicher wird dies zum Beispiel dadurch, dass die Mitglieder noch durch Gremien vertreten werden ( z.B. Vertreterrat). Wichtig ist hier, das dies weder gut noch schlecht ist. Moralisches Bewerten ist hier nicht zweckdienlich. Es ist erstmal eine Sichtweise, eine Information. Dass kann ich nun in meine Gedankenwelt aufnehmen oder auch nicht. Für mich persönlich macht es manches klarer. Z. B. den Titel der Session " DATEV im marktwirtschaftlichen Grenzland" . Ich kann die DATEV nicht als reines marktwirtschaftliches Unternehmen denken, sondern muss immer auch die politische Dimension (nicht nur Berlin und Brüssel, sondern eben auch unsere Gremien) berücksichtigen. Wenn ich das nicht weiß, dann werde ich die meisten Probleme der DATEV nicht verstehen oder nur unzureichend. Was für mich nun eine Erkenntnis ist, ist mit Sicherheit für den ein oder anderen kalter Kaffee. "Was bei DATEV aktuell los ist, ist die kreative Umsetzung von Langeweile" Das war meiner Meinung nach eine der provokantesten Aussagen. Schließlich werden wir ja nicht für Langeweile bezahlt, bzw. fürs Rumsitzen. Außerdem muss ich mich dagegen wehren, dies ist ja ein persönlicher Angriff. Mit etwas Abstand und auch der Klärung von Gerhards Definition von Langeweile in diesem Kontext, kann ich mit der Aussage etwas anfangen. Sinngemäß meinte er wohl damit, dass Menschen auch langweilig wird, wenn sie zwar den Schreibtisch voller Arbeit haben, diese Arbeit aber wenig herausfordernd, sprich langweilig ist. Und ich denke, das ist manchmal der Fall. Mir geht es zumindest ab und an mal so. Bemerkenswert ist dann doch, dass wir nicht, wie in vielen Bürokratien zu beobachten, abstumpfen und unsere Gummibäume pflegen, sondern z.B. Lerngelegenheiten schaffen und uns weiterbilden. Hier muss ich dann doch bewerten und komme nicht umhin uns echt cool zu finden 🙂 Und nun zu meinen Gedanken vom Freitag: Als ich Gerhard fragte: "Davon brauchen wir mehr Verständnis. Wie kriege ich diese Erkenntnisse nun in die Organisation?" kam – wie sollte es anders sein – eine Definition und eine Klarstellung. Erkenntnis kannst du nicht machen. Erkenntnis kannst du nur beobachten. Wer eine Erkenntnis hat, der kann ab dem Zeitpunkt nicht mehr so handeln, wie er zuvor gehandelt hat. Das heißt für mich, ich werde beobachten. Mich selbst und andere und unsere Organisation. Mal schauen, ob ich Erkenntnis finde 🙂 PS: Spannend und inspirierend fand ich die Art und Weise, wie Gerhard die Sessions und somit die Inhalte von Tag zu Tag weiterentwickelt hat. In irgendeinem Vortrag oder Interview beschrieb er sich mal als lernenden Berater. Das heißt, er lässt sich beim irren beobachten. Er konfrontiert seinen Gegenüber permanent mit Vorurteilen ( hier wieder nicht moralisch zu verstehen, sondern als Urteil das noch nicht final gebildet wurde). Das hat bei uns super geklappt. Dadurch entwickelten sich, wie in den beiden Beispielen oben, Diskussionen und neue Informationen (für ihn) entstanden, die sonst nicht ausgesprochen worden wären. Ich glaube, dass ist seine Art, um auf die Hinterbühne, die Wertekultur, einer Organisation zu blicken. Denn für uns ist dies alles normal, nicht erwähnenswert. Bei uns macht man das halt so. Viele Grüße Matthias
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