Liebe Kollegen,
da ich gestern Abend erst die letzte Coronahilfe-Endabrechnung übermitteln konnte, habe ich es bis auf 3 Seminare bisher nicht geschafft mich vertieft in die Grundsteuerproblematik des wahren Lebens einzuarbeiten.
Wissen Sie, wo ich Informationen dazu finde, wie ich einen Fall bearbeiten soll, der in der Praxis nicht so selten ist?
Gerade bei älteren Mandanten mit "Ketten-Erbfällen" hatte ich schon häufiger Fälle auf dem Tisch, bei denen die z.T. hochbetagten Mandanten die Grundbücher und Unterlagen nicht mehr auf dem aktuellen Stand und keinesfalls vollständig gehalten haben.
Sollen wir die Mandanten vor der Abgabe der Grundsteuererklärung erst einmal zum Notar schicken und das Grundbuch aktualisieren lassen?
Ich gehe im real case davon aus, dass die hochbetagten, alleinstehenden Mandanten mit unvollständigen Unterlagen in der Tüte und dem Hinweis " ich habe da einen Acker/Wald/Streuobstwiese/Hundehütte,... vom verstorbenen Onkel, der ihn von seiner Schwiegermutter, ..., geerbt hat" so gegen Mitte bis Ende Oktober in der Kanzlei aufschlagen.
Bearbeitungsvorschläge? Wie wünscht sich die Verwaltung die Bearbeitung dieser Sachverhalte? Diese real life Sachverhalte wurden in den Seminaren bisher nicht thematisiert.
Kategorie "Allgemein" nachträglich ergänzt.
Hallo @consulente_fiscale ,
wenn das Grundbuch „falsch“ ist, dann ist tatsächlich mE der einzig richtige Rat, den „wahren“ (materiellen) Eigentümer zu bitten, die Berichtigung des Grundbuchs in die Wege zu leiten. Je länger der zu berichtigende Umstand zurückliegt, umso schwieriger wird es, die erforderlichen Nachweise in grundbuchfähiger Form zu erbringen.
ME ist der „wahre“ Eigentümer zur Abgabe der Erklärung verpflichtet, auch wenn das Grundbuch „falsch“ bleibt, denn das Grundbuch (dessen Inhalt) verschafft ja nicht das Eigentum, sondern dokumentiert bloß ( im konkreten Fall unrichtige) Tatsachen und schafft damit die Grundlage für einen gesetzlich normierten Vertrauenstatbestand (öffentlicher Glaube) der mit besonderen Rechtsfolgen versehen ist - das materielle Recht ändert das Grundbuch aber gerade nicht.
@Michael-Renz Ich habe einen Fall aus meiner Kanzlei im Hinterkopf.
Alleinstehende 86 jährige, alte Dame schlägt mit einer Plastiktüte "dubioser" Unterlagen bei mir auf. Sie müsse eine Erbschaftsteuererklärung abgeben. Sie hätte einen Wald geerbt von XY. Der hat den besagten Wald von ZA von geerbt, der 2 Monate vor XY verstorben war. Ein paar Monate davor gab es BC, dem der besagte Wald länger gehört hat.
Erbschein hatte die alte Dame nicht (mehr) vorliegen. Aber ein teilweise (!)vorhandenes handschriftliches "Testament" von dem ich als Nichtjurist nicht feststellen konnte, ob es gültig war oder nicht.
Ich habe ewig telefoniert und herausgefunden, dass das Grundbuchamt die alte Dame vor Monaten aufgefordert hat, den Erbfall eintragen zu lassen. Die letzte Grundbucheintragung war wohl aus den 1950er Jahren.
Von dem, was die alte Dame in ihrer Tüte mitgebracht hat war faktisch nichts brauchbar für eine Erbschaftsteuererklärung.
Wenn ich den Fall aus dem wahren Leben auf Grundsteuer übertrage, dann habe ich einen vor-vor-verstorbenen Eigentümer am 1.1.22, keine rechtsgültigen Unterlagen in der Mandantenakte und keine Dokumentation der aktuellen Eigentumsverhältnisse. Selbst wenn die Verwaltung eine Aufforderung zur Abgabe der Erklärung an die alte Dame schickt. Sie kann der falsche Adressat sein. Ich habe keine Unterlagen anhand denen ich das überprüfen kann.
Ich fürchte fast, dass so eine Konstellation nicht so selten sein wird. Wir haben eine alte Bevölkerung und viele alleinstehende alte Menschen. Diese Mandanten werden bei uns aufschlagen. Die können nämlich nicht ELSTERn und sind mit der Erklärung völlig überfordert.
Den 1. Mandantentermin mit einer alten Dame habe ich am 1. Juli.... 😉
ich glaube, die Notare können solche Fälle wieder 'aufleben' lassen, selbst wenn es schon Steuerbescheide dafür gibt
Im Übrigen müsste es ja für jedes, auch noch so kleine Grundstück einen GrSt-Bescheid geben
... ja ich weiß, aus den GrSt-Bescheiden wird man auch nicht immer schlau, da die Kommunen sich auch nur auf die Bescheide der FV verlassen und oft einige Grundstücke zu wirtschaftlichen Einheiten zusammengefasst sind.
Notare haben aber einen guten Zugang zum Elektronischen Grundbuch und sind auf solche Fragestellungen spezialisiert
@vogtsburger Mal davon abgesehen, dass die alten Damen die Grundsteuerbescheide des Vor-Vor-Erblassers natürlich nicht vorliegen haben....
Man darf sich nichts vormachen: es sind viele alte Witwen, deren Ehemänner " sich immer um alles gekümmert haben" alleine mit "dem Steuerkram" völlig überfordert. Die haben noch nie irgendeinen Bescheid in der Hand gehabt, geschweige verstehen sie was da drauf steht. Wenn überhaupt Kinder vorhanden, sind nicht in der Nähe, haben keine Lust sich zu kümmern...
D.h. mit ÖPN gut erreichbaren Notar am Ort kontaktieren und nachfragen, ob er/sie Kapazitäten frei hat und ob ich diese Fälle zur "Detektivarbeit" vorbei schicken kann.
Zumindest ist die Corona-Lage aktuell so, dass man die betagten Senioren vorbei schicken kann....